Spaltung:Jetzt auch Spanien

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Die politische Kultur des einst stabilen Landes zerfällt. Die neue Koalitionsregierung unter Premier Sanchez ist den Erpressungsversuchen fanatischer Regionalpolitiker ausgesetzt.

Von Sebastian Schoepp

Teruel ist ein Städtchen im Herzen Spaniens, umgeben von karstigen Höhen, verlassenen Weiten und zerklüfteten Tälern. Es gibt dort weder Industrie noch nennenswerten Tourismus, auch keine Separatisten oder andere Krawallmacher, die Aufmerksamkeit erregen. Deswegen fühlen sich die Bewohner Teruels mitunter vergessen. Um dem entgegenzuwirken, hatte sich bei der jüngsten Wahl die Vereinigung "Teruel existiert" gegründet, die von Tomás Guitarte im Parlament zu Madrid vertreten wird. Guitarte hat Teruel auf die Landkarte zurückgebracht mit seiner Entscheidung, am Dienstag im Parlament für den Sozialisten Pedro Sánchez als Premier zu stimmen und die erste Koalitionsregierung des modernen Spanien zu ermöglichen - weshalb die Rechte ihn mit einer beispiellosen Hasskampagne überschüttet hat.

Die Art und Weise, wie diese Regierungsbildung abgelaufen ist, zeigt, dass Spanien längst keine Insel der Stabilität und politischen Kultur mehr ist, als die das Land gerade von Sozialdemokraten gerne dargestellt wird, da dort nun einer ihrer letzten Hoffnungsträger regiert. Die spanische Politik ist zerfressen von Rechthaberei, von Drohungen, Verrat, Gemeinheit, Intrigen und Winkelzügen; Schienbeintreter und politische Heckenschützen feiern ihr Fest. Bei der Parlamentsdebatte flogen Worte wie "Henker" und "Putschist" hin und her, es wurden Politiker aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg zitiert, so als bereite man sich gerade wieder auf einen vor. Sánchez selbst beklagte die "toxische Atmosphäre".

Die hat er allerdings zum Teil selbst verursacht durch sein unglückliches Taktieren. Im Juli 2019 hätte er relativ komfortabel eine Regierung mit den Linksalternativen von Podemos bilden können, doch er wollte mehr. Mit dem Ergebnis, dass seine mögliche Koalition im November so an Wählerzuspruch verlor, dass Sozialisten und Podemos nun wirklich auf jede Stimme im Parlament angewiesen waren, um wenigstens die einfache Mehrheit zu erringen. Eine krebskranke Abgeordnete schleppte sich trotz laufender Therapie unter Schmerzen zur Abstimmung.

Gespannt blickte das ganze Land vor allem auf die katalanischen Linksrepublikaner (ERC), die sich erst in fast letzter Minute entschlossen, Sánchez' Amtsantritt durch Enthaltung möglich zu machen - aber nicht ohne nochmals zu betonen, dass ihnen die Regierbarkeit Spaniens im Grunde "piepegal" sei, wie eine Abgeordnete sagte, deren Bruder als separatistischer Aufwiegler im Gefängnis sitzt. Das also ist das Panorama, in dem Sánchez Spanien regieren will, das sind die Verbündeten, die er von Abstimmung zu Abstimmung brauchen wird: Vertreter von Partikularinteressen aus Katalonien, dem Baskenland, Navarra, Galicien, den Kanaren, Teruel und sonstwo. Er wird eine Regierung führen, die erpressbar ist, die eigenwilligen und teils fanatischen Regionalpolitikern jeden Gefallen wird tun müssen, und damit deren Unersättlichkeit nährt.

Dass diese Regierung lange hält, glauben im Moment nur wenige. Das ist fatal für ein Land, das seine Wirtschaftskrise mitnichten überwunden hat und starke Impulse bräuchte, um seine Wirtschaft zu modernisieren. Stattdessen wird gefightet werden um Länderfinanzen, um Flaggen, Symbole, Aufmärsche und Sprachregelungen. Ein fantastisches Ambiente für Scharfmacher und Brunnenvergifter aller Seiten, die in Spanien derzeit so viel Konjunktur haben wie fast überall.

© SZ vom 08.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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