Spähaffäre:Vertrauensperson ohne Vertrauen

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Was geschah hinter der Schutzabdeckung der Abhöranlagen von Bad Aibling? Das wüsste nicht nur der NSA-Untersuchungsausschuss gerne. (Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Die Koalition stimmt dem NSA-Sonderermittler zu, die Opposition schäumt.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Linke und Grüne haben alles versucht, aber gegen die Mehrheit der großen Koalition im NSA-Untersuchungsausschuss ist kein Ankommen. Nach fast zwei Stunden Krisensitzung haben die Vertreter von Union und SPD am Donnerstag entschieden: Alles läuft so, wie die Bundesregierung es will. Die hatte am Mittwoch dem Ausschuss ihren Plan für eine Vertrauensperson vorgelegt. Nur diese allein soll den direkten Zugang zu den umstrittenen Suchbegriffen haben, die der US- Geheimdienst NSA auf Analyse-Rechnern des Bundesnachrichtendienstes (BND) eingesetzt hat. Sie soll dann dem Untersuchungsausschuss als Sachverständige Bericht erstatten.

Die Bundesregierung treibt die Angst, dass womöglich pikante Details der Selektoren-Liste ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Zudem befürchtet sie, ihren Verbündeten USA zu verprellen. Deshalb verweigert sie den Ausschussmitgliedern Einsicht in die Listen.

Die Opposition hat Klage gegen das Verfahren angekündigt. Martina Renner, Obfrau der Linken, sagte nach der Sitzung, die Vertrauensperson habe "mehr Rechte als das gewählte Parlament". Für den Grünen Konstantin von Notz fügt sich das "nahtlos ein in die Vernebelungen und Vertuschungen", die er von der Regierung kenne, seit die Snowden-Akten öffentlich seien. Christian Flisek, SPD-Obmann im Ausschuss, versicherte dagegen, dass das Parlament in dem Verfahren "das Heft des Handelns in der Hand habe".

Doch die Entscheidung wirft Fragen auf. Die Bundesregierung will es zwar dem Ausschuss überlassen, die Vertrauensperson vorzuschlagen. Sie besteht aber darauf, diese dann formal zu bestellen. Die Folge könnte sein, dass die Vertrauensperson eine Aussagegenehmigung des Bundeskanzleramtes braucht, um vor den Ausschuss treten zu können. Diese Genehmigungen sind bisher sehr beschränkt und bewirken immer wieder, dass Zeugen ihre Aussage dann abbrechen müssen, wenn es besonders interessant wird.

Womöglich noch diese Woche, spätestens aber in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause soll eine Person für die Rolle des Sonderermittlers gefunden werden. Bisher hat nur die SPD im Ausschuss erste Ideen dazu vorgebracht. Einer der Kandidaten wäre Kurt Graulich, ehemaliger Richter am Bundesverwaltungsgericht und ein Experte für das Sicherheitsrecht des Bundes und das Recht der Nachrichtendienste in Deutschland.

Der Geheimdienstkoordinator sieht keine Probleme bei der Fachaufsicht über den BND

In der öffentlichen Ausschusssitzung wurde am Nachmittag Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vernommen. Er bestritt, in seiner Zeit als Chef des Bundeskanzleramtes etwas von faulen Suchbegriffen der Amerikaner auf BND-Rechnern erfahren zu haben. De Maizière sagte, es habe zwischen 2005 und 2009, als er das Kanzleramt leitete, "keine Hinweise an mich gegeben", dass die NSA Begriffe wie EADS oder Eurocopter verwendet habe. Der "Kernfehler liegt zu 100 Prozent im mangelnden Meldeverhalten des BND", sagte de Maizière. Diese Begriffe oder Selektoren sind offenbar 2005 im BND aufgetaucht. 2006 will der damalige BND-Chef Ernst Uhrlau seinen Ansprechpartner im Bundeskanzleramt, den damaligen Leiter der Abteilung sechs, Klaus-Dieter Fritsche, auf Probleme mit den Selektoren mündlich hingewiesen haben. Fritsche bestritt Uhrlaus Darstellung. Dreh- und Angelpunkt ist eine Reise von de Maizière in die USA 2008. Spätestens zu dem Zeitpunkt sollen Hinweise auf die Selektoren dem Kanzleramt schriftlich vorgelegen haben. Unklar ist allerdings, ob diese Hinweise zwingend waren.

Inhalt der Gespräche war nach de Maizières Darstellung der Wunsch der Amerikaner, in der Fernmeldeaufklärung in einigen Projekten enger mit den deutschen Diensten zusammenzuarbeiten. Der BND habe allerdings erhebliche Bedenken gehabt, und erklärte diese mit "abstrakten Risiken", sagte de Maizière. "Dabei ging es nicht um Selektoren." Im Ergebnis seien er und seine Delegation "auf die konkreten Wünsche nicht eingegangen". Er halte die Einschätzung des BND nach wie vor für richtig.

Uhrlau hatte jedoch ausgesagt, die Selektoren-Probleme seien im Bundeskanzleramt 2008 intensiv diskutiert worden. Sie seien wichtige Gründe gewesen, weshalb de Maizière 2008 als Chef des Bundeskanzleramtes entschieden habe, die Zusammenarbeit mit den USA "nicht zu intensiveren".

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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