Sozialpolitik:Abstiegskampf

Gabriel hat recht, wenn er sich um die Alteingesessenen sorgt.

Von Jan Heidtmann

Natürlich steckt da ein ordentlicher Schuss Wahlkampf drin, wenn der SPD-Chef jetzt nach einem "Solidaritätsprojekt für unsere eigene Bevölkerung" verlangt. In drei Wochen wird in drei Bundesländern gewählt, und die Sozialdemokraten gehen - gelinde gesagt - nicht als Favoriten ins Rennen. Gleichzeitig ist die Mahnung Sigmar Gabriels, die angestammte Bevölkerung angesichts der Flüchtlinge nicht zu vernachlässigen, sehr richtig. Die Integration der Zufluchtsuchenden kann nur gelingen, wenn die nicht als Konkurrenten wahrgenommen werden; wenn die Eingliederung nicht zu einem Kampf um den vorletzten Platz in der Gesellschaft wird.

Wie dieser Kampf aussieht, das lässt sich in vielen Kommunen beobachten, die Flüchtlinge aufgenommen haben. Zum Beispiel bei den Sozialwohnungen. Die sind sehr gefragt, weil dort auch anerkannte Asylbewerber unterkommen können und so die Erstaufnahmeeinrichtungen entlastet werden. Das wiederum sorgt für Unmut bei den alteingesessenen Bürgern, die selbst in Not sind. In solchen Empfindungen steckt ein enormes Protestpotenzial.

Finanzminister Schäuble und die Bundeskanzlerin stellten sich sogleich gegen Gabriels Vorschlag: unnötig und zu teuer. Vor allem aber würde er ein Lieblingsprojekt der CDU torpedieren, den ausgeglichenen Haushalt. Fragt sich nur, was wichtiger ist: die schwarze Null oder eine gelungene Integration?

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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