Soziale Berufe:Gutes tun und wenig verdienen

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Viele Jugendliche könnten sich durchaus vorstellen, als Pfleger oder Erzieher zu arbeiten. Doch es gibt einige Gründe, die sie davon abhalten. Die Bezahlung ist nur einer davon.

Von Edeltraud Rattenhuber, München

In seinem Beruf "etwas bewirken können" und "Gutes tun" - wer möchte das nicht? Junge Leute, die in den Berufsfeldern Pflege und Kinderbetreuung landen, nennen diese Auswahlkriterien besonders häufig. Aber auch andere Jugendliche streben nach solcher Art Sinnstiftung im Beruf. Nur schlägt sich das oft nicht in einer "sozialen" Berufswahl nieder. Die Interessenten vermissen Aufstiegsmöglichkeiten, gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Vergütung. Das ergab die repräsentative Jugendbefragung "Kindertagesbetreuung und Pflege - attraktive Berufe?", die das Bundesfamilienministerium am Dienstag vorstellte.

Mehr als 2000 junge Menschen im Alter zwischen 14 und 20 Jahren nahmen an der Studie des Sinus-Instituts teil. Knapp ein Viertel von ihnen sagte, sie könnten sich eine Tätigkeit in Kinderbetreuung oder Pflege vorstellen. Häufig sind es die Eltern, die abraten, einen Weg in einen Sozialberuf einzuschlagen - bei Jungen übrigens der Umfrage zufolge häufiger als bei Mädchen. Zu kämpfen haben vor allem die jungen Männer auch mit ihrer Freundesclique. Diese hat oft einen großen Anteil an der Entscheidung. So stimmten 24 Prozent der befragten Jungen, aber nur 13 Prozent der befragten Mädchen dem Satz zu: Es wäre mir unangenehm, wenn meine Freunde mitbekommen würden, dass ich in der Kindertagesbetreuung/Pflege arbeiten will.

Am Interesse aber mangelt es nicht. Drei Viertel der Befragten halten die Arbeit für anspruchsvoll. 84 Prozent sagen, sie könne gleichermaßen von Männern wie Frauen verrichtet werden. Rund 80 Prozent der Jugendlichen finden allerdings das Gehalt zu niedrig dafür, was die Menschen leisten. Und die Hälfte vermisst gute Aufstiegsmöglichkeiten. Am Ende wäre nur eine sehr kleine Gruppe von sechs Prozent (Kinderbetreuung) und vier Prozent (Pflege) bereit, einen sozialen Beruf zu ergreifen. Meist sind das junge Frauen mit niedriger und mittlerer Schulbildung.

Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sieht die Ergebnisse der Befragung dennoch als Ermutigung. Ihr ist die Aufwertung der sozialen Berufe seit Amtsantritt ein zentrales Anliegen, auch weil der Erfolg von Zukunftsprojekten wie der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder oder die Behebung des Pflegenotstands damit verknüpft ist. "Gerade die vergangenen Monate haben uns gezeigt, dass Pflegefachkräfte und Erzieherinnen und Erzieher für unsere Gesellschaft doppelt systemrelevant sind", sagte Giffey am Dienstag: "Wir brauchen dringend Nachwuchskräfte für die Pflege und die Frühe Bildung."

Die Befragung will sie auch als Gegenposition zu den Stellungnahmen all jener verstanden wissen, die bezweifeln, dass sich genügend Menschen finden, um den Fachkräftemangel zu beheben. Giffey sieht zusätzliches Potenzial vor allem bei Jugendlichen mit Abitur, bei jungen Männern und bei Quereinsteigern. Doch wie kann ein Sozialberuf für jene attraktiv werden, die zögern? Da geht es nicht nur um höhere Gehälter, sondern auch um bessere Arbeitsbedingungen im Team, um Digitalisierung, die Pfleger und Kita-Kräfte vom Bürokratieaufwand entlasten könnte, aber auch um gute Ausbildungsbedingungen. Hier sieht Giffey auch die Länder in der Pflicht.

© SZ vom 08.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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