Sonneborns "Partei" in Hamburg:Die einzig wahre Partei

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"Alles unter 50 Prozent ist eine Enttäuschung", sagt Martin Sonneborn. Deutschlands Chef-Satiriker will mit seiner Partei und ihrem Spitzenkandidaten Heinz Strunk in Hamburg an die Macht. Nur verstehen das nicht alle.

Antje Bongers

"Hamburg - Raucherstadt mit Herz", ruft der Spitzenkandidat der Partei in sein Mikrofon, die Menge jubelt. Er steht auf einem rustikalen Eichentisch, an der Holzwand hinter ihm prangen schwere Ölgemälde. Ein Kellner mit Backenbart balanciert eine Portion Spiegeleier durch die enge Kneipe, in der sich studentisches Publikum und Männer in grauen Anzügen drängen.

Plakate von "Die Partei": "Hamburg - Raucherstadt mit Herz" (Foto: Screenshot sueddeutsche.de)

"Wir wollen eine Atmosphäre wie damals bei Hitler im Münchner-Schelling Salon", sagt Martin Sonneborn mit ruhiger Stimme und ohne eine Miene zu verziehen. Er ist der Bundesvorsitzende der Partei, die heute in die "handwarme Phase" des Wahlkampfs um die Hamburger Bürgerschaft einzieht, wie er sagt. Um die Hanseaten auf seine Seite zu ziehen, hat sich Martin Sonneborn einiges einfallen lassen.

Wahlplakate gegen den derzeitigen Ersten Bürgermeister zum Beispiel. Darauf steht: "CDU-Wähler aufgepasst: Ole von Beust ist schwul!" und in einer zweiten Version: "Schwule Wähler aufgepasst: Ole von Beust ist in der CDU!" Für Sonneborn gehört ein bisschen Schlammschlacht zum Gesamtkonzept. "Wir werden die Macht mit einem populistischen, schmierigen Wahlkampf an uns reißen", sagt er.

Mit der Auswahl seines Spitzenkandidaten Heinz Strunk scheint Sonneborn jedenfalls zufrieden. Grinsend sitzt er in der ersten Reihe und beobachtet Strunk, der sich bei seiner Rede kaum das Lachen verkneifen kann. Heinz Strunk ist bekannt geworden als Autor des Kultbuchs "Fleisch ist mein Gemüse" und politisch bisher ein eher unbeschriebenes Blatt. Das mache aber nichts, sagt er, denn er sei nicht der einzige beurlaubte Publizist, der in Hamburg an die Macht wolle.

"Aber nicht wie Naumann, der Sau-Spatz, der will Hamburg ja quasi im Urlaub gewinnen!", sagt Strunk mit ironischem Lächeln. Das Publikum antwortet: "Wechsel, Wechsel, Wechsel!". Die Partei hat viel vor mit der Hansestadt: das Schanzenviertel soll zum Rentnerparadies werden, Raucher vor Nichtrauchern geschützt werden und schwache Stadtteile gehören ausgemeindet - um nur einige der Programmpunkte zu nennen.

Fortsetzung auf der nächsten Seite: "Die Partei vergisst niemanden, der ihr den Weg an die Macht geebnet hat."

Martin Sonneborn bestellt sich ein Bier. Es ist der Abend vor der Partei-Veranstaltung und er ist voller Vorfreude. Morgen wird Heinz Strunk hier in der Kneipe seine Rede halten und gleichzeitig wird der Wahlwerbespot für die Partei gedreht. "Die Partei ist eine Idee, mit der man möglichst viele Menschen konfrontieren muss und sollte, damit wir Stimmen bekommen", sagt Sonneborn, "und wenn andere Konstellationen dabei kaputtgehen, dann müssen wir mit dem Erfolg leben."

Spitzenkandidat für "Die Partei": der Entertainer Heinz Strunk (Foto: 135)

Martin Sonneborn ist ein ruhiger Mann Anfang Vierzig, auf Fotos wirkt er unnahbar mit seiner hohen Stirn und den kalten, blauen Augen. Doch tatsächlich ist er ein freundlicher Mensch, der Witze gerne beiläufig in Nebensätze verpackt.

Deutschlandweit bekannt wurde er als Chefredakteur des Satire-Magazins Titanic. Sein bislang größter Coup: Bei der Entscheidung über den Austragungsort der Fußball-WM 2006 schickte er Bestechungsfaxe an die Funktionäre der FIFA und warb mit Schwarzwälder Schinken dafür, gegen Südafrika und für Deutschland zu stimmen. Mit Erfolg - ein Neuseeländer enthielt sich und Deutschland gewann mit 12:11 Stimmen.

Heute gibt er den Partei-Bonzen, springt nach Strunks Rede auf die Bühne, reckt die Hände in Wahlkämpfer-Pose nach oben und sagt zu den anwesenden Journalisten: "Die Partei vergisst niemanden, der ihr den Weg an die Macht geebnet hat." Die Fotoapparate klicken und Sonneborn lächelt staatsmännisch. Als er von der Bühne steigt, fällt die Spannung von ihm ab: "Und jetzt mein Bier, bitte". So höflich klingt der Schröder'sche Befehl "Hol mir mal 'ne Flasche Bier!" bei Sonneborn.

Der Intellektuelle hat eben noch nicht annähernd so viele Wahlkämpfe bestritten wie der ehemalige SPD-Boss. Dafür ruft ihm jemand entgegen, er solle doch mal eine Runde schmeißen. Die Preise in der Wahlkampf-Kneipe sind dem Partei-Volk zu teuer. Trotzdem kamen sie in Scharen, feierten ihn und den Spitzenkandidaten Heinz Strunk wie im politischen Kabarett.

Ein Mittdreißiger filmte Strunks Rede mit seinem Handy. Wählen würde der Hamburger die Partei allerdings nicht. "Das ist toll als Unterhaltung, aber keine echte politische Alternative", findet er. Sonneborn sieht das allerdings anders. "Ich würde niemals sagen, dass die Partei nur eine satirische Aktion ist. Das würde mir Sympathien entziehen und Wählerstimmen kosten."

Denn auch wenn sein Parteiprogramm nicht gerade auf die gesellschaftliche Mitte abzielt, besitzt Sonneborn ohne Zweifel politischen Ehrgeiz. Schon 2005 trat er bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an, schaffte allerdings nur magere 0,016 Prozent (1338 Stimmen). In Hamburg könnte das Ergebnis besser ausfallen, denn bei der Bundestagswahl vor drei Jahren sammelte Sonneborn einschlägige Erfahrungen mit öffentlichkeitswirksamer Wahlwerbung.

Fortsetzung auf der nächsten Seite: "Wir würden Entscheidungen nach Sachverstand und Moral treffen und das wäre ein Fortschritt."

Damals trat die Partei zum ersten Mal bundesweit an und geriet prompt in die Schlagzeilen. Sonneborn versteigerte die der Partei zustehenden Sendeplätze im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bei Ebay und warb im Wahlwerbe-Spot für den Billigflieger HLX. Diese originelle Form der Schleichwerbung wurde im Jahr darauf sogar mit einem Preis der Kommunikations- und Werbebranche prämiert - der politische Erfolg für die Partei hingegen blieb aus.

Sonneborn ist trotzdem davon überzeugt, dass seine Partei eine Bereicherung für das Land wäre. "Wir würden Entscheidungen nach Sachverstand und Moral treffen", sagt er, "das ist insofern ein Fortschritt, da ja heute viele Entscheidungen aufgrund von Verflechtungen, Funktionen und Lobbyismus getroffen werden." Bei diesem Satz wird Sonneborn ernst, der Witz ist aus seinen Augen gewichen.

Was andere Parteien und Politiker tun, aber niemals öffentlich zugeben, macht Sonneborn umso plakativer. Es geht ihm nicht nur um den Spaß an der Provokation. In Talkshows beispielsweise gibt er gerne Sprüche von sich, die so politisch unkorrekt sind, dass andere Politiker nichts zu entgegnen wissen. Er liebt diese Momente. "Wenn sich Menschen selbst darstellen, dann braucht man keine Karikatur und keinen Text, um zu erklären, wie solche Leute denken, wie sie funktionieren."

Doch ist die humorvolle Persiflage einer Partei das richtige Mittel, um den Wählern die Augen zu öffnen? An einem Ecktisch in der Wahlkampf-Kneipe sitzen Günther Huber und seine beiden Freunde. Bei ihnen hinterlässt Strunks Rede Unverständnis. "Ja, meint der das jetzt ernst?", will Huber wissen. Er weiß nicht recht, was das alles soll.

Eigentlich wollte er hier in der Kneipe ganz gemütlich seinen Geburtstag feiern, dafür ist er extra aus München übers Wochenende zu Besuch gekommen. Und dann geriet er "unfallartig", wie er sagt, in diese Wahlveranstaltung mit dem seltsamen, untalentierten Mann, der Politiker werden will und eine Rede voller Fremdwörter und Plattitüden hält. "Der kann ja noch nicht mal mit Mikro einen Saal mitreißen, das muss ein richtiger Politiker auch ohne können!", findet Huber.

Geärgert hat ihn auch der Vorschlag, die Musicals und Comedy-Shows in Hamburg abzuschaffen. "Das kann man doch nicht vergleichen!", regt er sich auf. "Ich meine, 'König der Löwen' ist doch niveaumäßig was ganz anderes als so ein doofer 'Quatsch-Comedy Club'!"

An dieser Stelle von Heinz Strunks Vortrag schauen sich auch zwei andere Männer im Publikum enttäuscht an. Sie kennen die Rede schon von seinem letzten Auftritt in Hamburg. "Hauen wir ab?" Und weg sind sie, denn von der Partei hätten sie mehr erwartet. Zweimal die gleiche Rede zu halten, wird Strunk am 24. Februar mindestens zwei Stimmen kosten.

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