Sonderparteitag in Berlin:Müntefering warnt SPD vor Machtverlust

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Mit 95 Prozent wurde Müntefering zum Nachfolger von Gerhard Schröder gewählt. Als Generalsekretär wird ihm Klaus-Uwe Benneter zur Seite stehen. Der neue Parteichef will den Reformkurs fortsetzen und mahnte die SPD zur Geschlossenheit: "Opposition ist Mist, wir wollen regieren."

Von Reymer Klüver

Müntefering versuchte in seiner Rede, den Sozialdemokraten trotz der anhaltend schlechten Umfrageergebnisse neue Zuversicht für die nächsten Wahlen zu vermitteln. Die Partei werde kämpfen müssen. Dabei dürfe die SPD in den kommenden Wochen keine Zeit verlieren. "Wir schaffen das", rief er den Delegierten zu.

Er forderte allerdings Geschlossenheit: "Wenn entschieden ist, muss man auch geschlossen handeln." Die Gesellschaft befinde sich in einer Phase der Orientierungssuche. Es gebe keine sicheren Gewissheiten mehr. Es sei mühsam, im Auge zu behalten, was wirklich wichtig sei.

Müntefering mahnte größere Ehrlichkeit angesichts der Herausforderungen der Zukunft an. Die Reform des Sozialsystems sei zu lange liegen geblieben, "das sage ich auch selbstkritisch". Ehrlich müsse die Partei außerdem sein, was die Renten und den Zustand der öffentlichen Kassen angehe: "Die sind leer in Bund, Ländern und Gemeinden." Angesichts dieser Lage dürfe sich niemand "in die populistischen Büsche schlagen".

Müntefering gab zu verstehen, dass er eine Änderung des Reformkurses der Regierung nicht zulassen werde. Deutschland brauche Entscheidungen, die weit in die Zukunft führten. "Wir müssen Politik über den Tag hinaus machen", sagte er.

Signal an Gewerkschaften

Es gebe in Zeiten der Globalisierung dazu keine Alternative, ihr könne man nicht ausweichen: "Wir werden keinen Graben um Deutschland ziehen können." Den Gewerkschaften, die Schröders Reformkurs heftig kritisieren, signalisierte Müntefering Gesprächsbereitschaft, "damit wir im Schulterschluss Politik für die Menschen in Deutschland machen können".

Der 64-Jährige hob allerdings hervor, dass er sich mit Schröder über den künftigen Reform-Kurs völlig einig sei. "Mancher wird versuchen, zwischen uns Kerben zu schlagen. Das wird nicht gelingen."

Der Bundeskanzler hatte zuvor seine Nähe zu Müntefering hervorgehoben: "Franz ist für dieses Amt (als Parteichef) der Beste, den wir in unserer Partei bekommen können." In seiner zum Ende emotionalen Rede hatte Schröder gesagt, dass ihm der Abschied vom Parteivorsitz nicht leicht falle. Er habe es stets als große Ehre empfunden, in der Nachfolge August Bebels und Willy Brandts die SPD zu führen. Aber die Aufgabe als Kanzler "in verdammt schwierigen Zeiten" erfordere die ganze Kraft eines Menschen.

Schröder verteidigte seinen Kurs bei den Sozialreformen. "Wir dürfen vor Veränderungen nicht weglaufen", sagte er. Der Umbau der sozialen Sicherungssysteme sei ein Wert an sich, weil er den Sozialstaat erhalte. Zudem würden Ressourcen freigesetzt für wichtige Zukunftsinvestitionen.

"Was beschlossen ist, wird nicht verändert", sagte Schröder in Bezug auf die verbreitete Kritik an den Reformgesetzen der Regierung. Soziale Gerechtigkeit entscheide sich nicht an der Frage, "ob man im Quartal zehn Euro für einen Arztbesuch zahlen muss". Es dürfe nicht vergessen werden, "dass gerecht zu sein auch immer heißt, an diejenigen zu denken, die auch morgen im Wohlstand leben wollen".

Mehr Geld für Kinder

Schröder kündigte an, dass seine Regierung deutlich mehr Geld in die Kinderbetreuung stecken werde. Auch die Anstrengungen in der Bildungsförderung würden verstärkt: "Wir können es uns nicht leisten, eine einzige Begabung in unserem Volk unausgeschöpft zu lassen." Er rechtfertigte zudem die Absicht, eine Ausbildungsplatzabgabe einzuführen. Wenn die Wirtschaft ihre Verpflichtung zur Ausbildung nicht erfülle, dann müsse die Regierung eben gesetzgeberisch handeln.

Im außenpolitischen Teil seiner Rede verteidigte er das militärische Engagement Deutschlands im Ausland. "Mit diesen Pflichten haben wir uns als souveränes Land das Recht erworben, Nein zu sagen, wenn wir vom Sinn einer militärischen Intervention nicht überzeugt sind", sagte er unter dem Beifall der Delegierten.

Der neue Generalsekretär Klaus Uwe Benneter hatte die Partei in seiner Bewerbungsrede ebenfalls zur Geschlossenheit gemahnt. "Wir müssen wieder näher aneinander rücken und uns unterhaken", sagte er. Er sehe seine Aufgabe darin, die Parteiarbeit zu koordinieren und die Kommunikation innerhalb der Partei zu organisieren. Benneter kündigte einen verstärkten Dialog über die Reformen an.

© SZ vom 22.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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