Sitzverteilung im Vermittlungsausschuss:"Das Gericht hat der Arroganz der Macht Grenzen gesetzt"

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CDU und CSU freuen sich über den Spruch aus Karlsruhe: Die SPD muss einen ihrer acht Sitze auf der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuss abgeben. Die Union rechnet fest damit, diesen Sitz und damit die Mehrheit im Ausschuss zu bekommen. Doch auch die Grünen machen sich Hoffnung.

Das Bundesverfassungsgericht hat einer Klage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion teilweise stattgegeben. Mit fünf zu drei Stimmen entschied das Gericht, dass die Sitze im Vermittlungsausschusses zwischen Bundestag und Bundesrat unverzüglich neu verteilt werden müssen.

Die Richter forderten die Regierungsfraktionen auf, noch in dieser Legislaturperiode die Regelungen für die Besetzung des Ausschusses so zu ändern, dass auch knappe Ergebnisse bei Bundestagswahlen in dem Gremium wiedergespiegelt werden.

Allerdings gilt die nun fällige Neuregelung nicht rückwirkend, so dass bereits gefasste Beschlüsse des 32-köpfigen Gremiums in der laufenden Legislaturperiode Bestand haben.

Umstrittener Korrkekturfaktor

Dem Urteil zufolge entspricht die gegenwärtige Besetzung der 16-köpfigen Bundestagsbank nicht dem Grundsatz, dass Ausschüsse das Parlamentsplenum möglichst spiegelbildlich abbilden müssen.

Zankapfel in dem Organstreitverfahren war ein Beschluss der rot-grünen Mehrheit nach der Bundestagswahl 2002, mit dem sich die Koalition einen Sitz mehr im Vermittlungsausschuss verschafft hatte.

Bei der Bundestagswahl 2002 erreichten sowohl SPD als auch CDU/CSU jeweils 38,5 Prozent der Stimmen. Die SPD-Fraktion wäre nach allen drei bisher üblichen Zählverfahren nach der Bundestagswahl 2002 mit sieben Abgeordneten auf der 16-köpfigen Bundestagsbank des Vermittlungsausschuss vertreten gewesen - genauso wie die CDU.

Um ein Patt auf der Bank der Bundestagsvertreter im Ausschuss zu verhindern, führten SPD und Grüne einen "Korrekturfaktor" zugunsten der stärksten Fraktion ein. Als Folge davon verlor die CDU einen Sitz, der an die SPD ging. Damit verfügt die SPD über acht Sitze, die CDU über sechs, FDP und Grüne über je einen.

Glos: Ohrfeige für Rot-Grün

Union und FDP begrüßten das Urteil. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Volker Kauder (CDU), sagte der dpa: "Das Gericht hat der Arroganz der Macht Grenzen gesetzt." Sein Kollege von der FDP, Jörg van Essen, erklärte, die Karlsruher Richter hätten festgelegt, dass Manipulationen in der deutschen Politik keine Chance hätten. CSU-Landesgruppen-Chef Michael Glos sagte, das Urteil sei eine "Ohrfeige" für Rot-Grün.

Nach den Worten von Kauder erwartet die Union nun, dass die SPD schnellstmöglich einer Änderung der Besetzung des Vermittlungsausschusses zustimmt. Entsprechende Signale habe es schon gegeben. Der Bundestag müsste dann ein neues Mitglied aus den Reihen der Union wählen. Die SPD müsste ihren Vertreter zurückziehen.

Beck: Keine Niederlage der Koalition

Während der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Ronald Pofalla eine Sieben-zu-Sieben-Lösung anstrebt, hält es der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, für denkbar, den Grünen einen zweiten Sitz zuzuschlagen.

Auch die Grünen selbst machen sich Hoffnungen auf den neu zu besetzenden Sitz. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck sagte, im Vergleich der Kräfteverhältnisse im Plenum und im Vermittlungsausschuss sei gar nicht die Union, sondern seine Fraktion bei der Sitzverteilung am stärksten benachteiligt. Es sei daher denkbar, dass der umstrittene Sitz an die Grünen gehe.

Beck sagte, das Urteil sei "keine Niederlage der Koalition". Das Gericht habe lediglich gerügt, dass über einen Korrekturfaktor die SPD als stärkste Fraktion eindeutig bevorzugt worden sei, obwohl SPD und Union annähernd gleich stark seien.

Zurzeit Patt im Vermittlungsausschuss

Rot-Grün werde unverzüglich mit der Beratung beginnen, wie der Spruch der Verfassungsrichter zeitnah umgesetzt werden könne. In diesem Jahr werde dies aber nicht mehr geschehen. . In jedem Fall müsse der Bundestag nun aber eine über den Einzelfall hinaus weisende Regelung "für alle denkbaren Fälle" beschließen.

Der Vermittlungsausschuss besteht aus je 16 Vertretern von Bundestag und Bundesrat. Während jedes Bundesland unabhängig von seiner Größe einen Sitz erhält, werden die Bundestagsvertreter nach Fraktionsstärke entsandt. Aufgabe des Gremiums ist es, einen Kompromiss zu finden, wenn vom Parlament beschlossene Gesetze im Bundesrat keine Mehrheit finden.

Momentan stellt Rot-Grün neun der 16 Sitze des Bundestages, Union und FDP sieben. Bei den 16 Sitzen des Bundesrates ist es genau umgekehrt, da neun Länder Unions-geführt sind und nur sieben von der SPD. Deswegen herrscht zurzeit im Vermittlungausschuss ein Patt von 16:16. Wenn die Bundestags-Sitze nun geändert werden, würde Schwarz-Gelb eine Mehrheit erhalten.

(Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 2 BvE 3/02)

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