In Demokratien scheiden Angeklagte normalerweise aus politischen Ämtern, wenn ihnen erhebliche Straftaten vorgeworfen werden. In Italien ist es umgekehrt. Silvio Berlusconi steht im dringenden Verdacht, Anfang der neunziger Jahre in die Politik gegangen zu sein, um sich vor Strafverfolgung zu schützen. Seitdem hält die Auseinandersetzung zwischen dem Medienmilliardär und seinen Richtern das Land in Atem.
Bereits in der Legislaturperiode 2001 bis 2006 widmete Berlusconis Mitte-rechts-Koalition sehr viel Energie dem Schutz des Cavaliere vor strafrechtlichem Ungemach. Nun, zurück an der Macht, knüpft sie daran an. In rekordverdächtigem Tempo und gegen die Einwände von Verfassungsrechtlern jagte sie ein Immunitätsgesetz durchs Parlament. Die Folge: Berlusconi ist die kommenden fünf Jahre vor seinen Richtern gefeit.
Der Zeitpunkt für das Gesetz hätte nicht schamloser gewählt werden können. Denn damit wird ein Korruptionsprozess gegen den Premier in Mailand blockiert, der unmittelbar vor dem Abschluss stand. Berlusconi und seine politischen Vasallen machen aus ihrer Absicht, den Premier vor einer Verurteilung zu bewahren, auch gar kein Hehl. Sie argumentieren sinngemäß: Berlusconi wurde vom Volk in Kenntnis seiner Probleme mit der Justiz gewählt. Diese Argumentation macht ihn nahezu sakrosankt.
Der Regierungschef versucht also, das Demokratieprinzip gegen den Rechtsstaat auszuspielen. Das entspricht sonst eher der Strategie von Anführern populistischer Regime. Italien aber ist keine Bananenrepublik, sondern eines der traditionellen Kernländer der Europäischen Union. Unter Berlusconi droht es nun, zu einem Sonderling zu werden.