Sieben Jahre nach 9/11:Im Krieg der Gedanken

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Terrorismusbekämpfung mit Worten statt mit Waffen: Die Regierung des britischen Premiers Gordon Brown spielt Journalisten Informationen über interne Probleme der al-Qaida zu.

Janek Schmidt

Die Enthüllung war brisant, sowohl für die britische Regierung als auch für die Rundfunkanstalt BBC. "Die Bekämpfung des Extremismus durch Öffentlichkeitsarbeit", lautete der sperrige Titel des Geheimpapiers, das die Zeitung Guardian kürzlich veröffentlichte. Sein Inhalt aber war deutlich: Es zeigte, dass die Regierung von Premier Gordon Brown versucht, den Terrorismus zu bekämpfen, indem sie Journalisten Informationen über interne Probleme der al-Qaida zuspielt.

Kampf auf dem ideologischen Schlachtfeld: BBC-Reporter verwerteten die Informationen der Regierung promt für einen Beitrag über die al-Quaida. (Foto: Foto: Reuters)

Auch BBC-Reporter hatten diese Informationen erhalten und daraufhin den Beitrag "Al-Qaidas innerer Feind" gesendet. Zwar beteuert die BBC, dass sie nicht als Sprachrohr der Regierung fungiert habe, doch zeigt der Vorfall, welche Bedeutung Terrorexperten mittlerweile dem Kampf auf dem ideologischen Schlachtfeld einräumen.

Das betonte kürzlich auch James Glassman, zuständig für die Präsentation der amerikanischen Politik im Ausland. Die USA wollten im Kampf gegen den Terror weniger "die Sympathien der Ausländer gewinnen, sondern eine Ideologie besiegen". Dieser Kampf, den die Amerikaner "War of Ideas" nennen, ist für Glassman, "der wichtigste ideologische Wettstreit unserer Zeit". Wer ihn gewinnen wird, ist unklar.

Doch einige Erfolge haben die Anti-Terrorkämpfer vorzuweisen. So trat Scheich Salman al-Ouda in ihrem Sinne im arabischen Fernsehsender MBC auf. Sein Wort hat Gewicht bei Fundamentalisten, da er als religiöses Vorbild Bin Ladens gilt. "Mein Bruder Osama", begann er seine Ansprache, "wieviele unschuldige Menschen, Kinder, Alte und Frauen sind im Namen von al-Qaida getötet worden?"

Die meisten Muslime teilen Kritik an al-Qaida-Terror

Diese Frage scheinen sich viele Muslime zu stellen. Das Forschungsinstitut Political Islam Online ermittelte nach der Ansprache des Scheichs auf islamistischen Webseiten und jenen der Nachrichtensender al-Dschasira und al-Arabija, dass zwei Drittel der Kommentare die Kritik am wahllosen Töten von al-Qaida teilten. Zwei Monate später schrieb Bin Ladens einstiger libyscher Mitstreiter, Norman bin Othman, einen Brief an al-Qaidas Chefideologen Aiman al-Zawahiri. Auch er rief al-Qaida auf, die Attentate einzustellen, da unschuldige Menschen getötet werden und so die Unterstützung in der Bevölkerung schwinde.

Den bislang härtesten Schlag aber versetzte al-Qaida der Ägypter Sayyid al-Sharif, der als Dr. Fadl bekannt ist. Der Autor eines der wichtigsten Dschihad-Lehrbücher veröffentlichte im vergangenen Jahr aus einem ägyptischen Gefängnis das Traktat "Rationalisierung des Dschihad", in dem er die wahllosen Bombenattentate verurteilt. Aiman al-Zawahiri war darüber so alarmiert, dass er im März eine 188 Seiten lange Antwort verfasste.

Doch die Kritik an al-Qaida verfestigt sich. In einer Umfrage erkannten Forscher des Washingtoner Pew Research Centers, dass die Unterstützung für Selbstmordattentate innerhalb von fünf Jahren in fünf von acht muslimischen Ländern stark gesunken ist. Bob Ayers, Terrorexperte des britischen Forschungsinstituts Chatham House, aber warnt: "Al-Qaida-Mitglieder haben die Schwierigkeiten erkannt, also diskutieren sie darüber, aber an ihren Zielen hat sich nichts geändert."

© SZ vom 11.09.2008/pir - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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