Sicherheitspolitik:Schäuble schaltet Anti-Terror-Datei frei

Lesezeit: 2 min

Innenminister Wolfgang Schäuble hat die gemeinsame Anti-Terror-Datei für Polizei und Geheimdienste freigeschaltet. Kritik kam von Datenschützern, Grünen, Linke und aus der FDP.

Polizei und Geheimdienste können sich von sofort an in einer gemeinsamen Anti-Terror-Datei über Terroristen und verdächtige Personen informieren. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) schaltete das jahrelang umstrittene Projekt am Freitag in Berlin frei.

Neben üblichen personenbezogenen Daten können Sicherheitsbehörden auch Informationen über Familienstand, Religionszugehörigkeit, Bildungsabschlüsse, Bankverbindungen oder Waffenbesitz abrufen. Diese zusätzlichen Daten werden aber nur nach spezieller Anforderung bei der jeweiligen Behörde freigegeben.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und die Opposition übten teils scharfe Kritik an der Datei. Schäuble sprach dagegen von einem "wirkungsvollen Instrument mit Augenmaß".

Der Bundestag hatte nach jahrelangem Streit im Dezember 2006 den Weg für die 15 Millionen Euro teure Anti-Terror-Datei frei gemacht. Laut Bundeskriminalamt (BKA) sind in der Datei zunächst Daten von rund 13 000 Personen gespeichert, von denen aber nur ein Viertel in Deutschland lebt.

Darauf zugreifen können 38 Sicherheitsbehörden, darunter Polizei, Verfassungsschutz, BKA, Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst sowie die 16 Landeskriminalämter.

Schäuble betonte, die vereitelten Kofferbombenanschläge vom Juli 2006 hätten gezeigt, "dass Deutschland auch Ziel von islamistischen Terroranschlägen ist". "Wir sind keine Insel der Seligen, und es gibt sie nicht", sagte er.

Die Anti-Terror-Datei solle "verhindern, dass vorhandene Puzzleteile sich deshalb nicht zu einem Puzzle zusammenfügen, weil die jeweiligen Behörden von anderen Teilen nichts wissen".

Die Datei stelle schnell notwendige Verknüpfungen her, ohne den Quellenschutz und Geheimhaltungsvorschriften zu missachten, zudem gewährleiste sie "ein Höchstmaß an Datenschutz", sagte der Minister.

BKA-Präsident Jörg Ziercke betonte, der Kampf gegen den Terror sei "immer ein Wettlauf gegen die Zeit". "Werkzeuge wie die Anti-Terror- Datei können uns den entscheidenden zeitlichen Vorsprung sichern." Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ergänzte, Sicherheit könne man in Deutschland nicht nach Bundesländern aufteilen.

"Dicker Datenmoloch"

Schaar bemängelte im RBB dagegen eine "bedenkliche Erweiterung von Datenverarbeitungsbefugnissen". Er kritisierte den möglichen Zugriff auf Daten von Kontaktpersonen Verdächtiger. "Wenn man zum Beispiel in einem Studentenwohnheim wohnt, wo sich eine Zielperson aufhält, kann das schon ausreichen, um in eine solche Datei zu gelangen."

Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte, die Regierung untergrabe rechtstaatliche Standards. "Außerdem ist diese Datei ein dicker Datenmoloch und damit kein wirksames Instrument zur Terrorbekämpfung."

Linksfraktions-Innenexpertin Ulla Jelpke erklärte: "Wieder einmal wurde im Namen der Illusion von Sicherheit ein Stück Freiheit aufgegeben." Die Datei sei verfassungswidrig, weil sie gegen das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten verstoße.

Die Vize- Vorsitzende der FDP-Fraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sprach im BR von einem "zu durchlässigen System".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: