Sicherheit:Unterstützen, nicht abwenden

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Wer keine Gefährder zurücknimmt, bekommt kein Geld - die Bundesregierung möchte so den Druck auf Staaten wie Tunesien erhöhen. Die Fraktion der Grünen im Bundestag hält das für keine gute Idee.

Von Stefan Braun, Berlin

Die Grünen im Bundestag haben die Bundesregierung davor gewarnt, Tunesien als Reaktion auf die Probleme im Umgang mit dem Berliner Attentäter Anis Amri zu hart zu bestrafen. Seit dem Anschlag und den bekannt gewordenen Schwierigkeiten, Amri zuvor in sein Heimatland abzuschieben, haben zahlreiche Minister im Kabinett von Angela Merkel dem nordafrikanischen Land gedroht, die finanzielle und technische Unterstützung zu kürzen, sollte es bei Abschiebungen nicht besser kooperieren. Die Innen- und die Außenpolitiker der Grünen-Fraktion im Parlament halten das für einen schweren Fehler.

Die Nordafrika-Expertin Franziska Brantner sagte der Süddeutschen Zeitung, entsprechende Äußerungen von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Justizminister Heiko Maas seien höchst problematisch. "Gabriel und Maas handeln weltfremd und unverantwortlich, wenn sie eine Kürzung oder gar Streichung von Entwicklungsgeldern fordern", betonte Brantner. Sie verwies darauf, dass Tunesien nach wie vor das einzige Land der Region sei, in dem die arabische Demokratiebewegung eine "hoffnungsvolle Entwicklung hin zur Demokratisierung" gebracht hätte. Aus diesem Grund brauche das Land keine Abwendung, sondern im Gegenteil dringend weitere Unterstützung.

Die Demokratisierung in Tunesien stockt, die Wirtschaftslage ist miserabel

Tatsächlich gilt Tunesien in der Bundesregierung seit Jahren als besonders unterstützenswert; mehrfach war Außenminister Frank-Walter Steinmeier in dem Maghreb-Land, um ihm deutsche Hilfe zuzusichern. Seit dem Anschlag von Berlin Mitte Dezember aber wächst zumindest in Teilen der Regierung die Kritik an dem Land. So hatten die beiden Sozialdemokraten Gabriel und Maas, aber auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine härtere Gangart gefordert, sollte das Land sich nicht kooperativer zeigen bei der Rücknahme von Straftätern und Gefährdern, die die Bundesregierung abschieben wolle. Auch Brantner betonte, dass Tunesien bereit sein müsse, Gefährder zu übernehmen. Das aber sei nicht mit der Androhung von Strafen und Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit zu erreichen, sondern nur mit weiteren Hilfen, mit denen das fragile Land weiter stabilisiert werden könne. Außerdem dürfe das Land nicht zusätzlich belastet werden. Deshalb solle Berlin die Forderung an Tunesien fallen lassen, auch Flüchtlinge aus afrikanischen Drittstaaten wie Gambia aufzunehmen, die auf ihrer Flucht nach Europa durch Tunesien gereist waren.

Die Mahnung der Grünen geht auf Informationen auch aus Tunesien selbst zurück, wonach sich die Lage im Land zuletzt deutlich verschlechtert habe. Die Sicherheitsapparate erschwerten eine weitere Demokratisierung, und die miserable Wirtschaftslage verschlechtere die Perspektiven vieler jungen Menschen, hieß es. Dass manche in Berlin das auch so sehen, zeigte eine Stellungnahme von Regierungssprecher Steffen Seibert. Er räumte ein, dass die Maghreb-Staaten "in einer sehr komplizierten Lage" seien und es im deutschen Interesse liege, dass diese "eine positive Entwicklung" nähmen.

© SZ vom 20.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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