Serbien und Karadzic:Großdemonstration der "Patrioten" erwartet

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Während Karadzics Anwalt alle Tricks nutzt, um dessen Auslieferung zu verzögern, steht in Belgrad eine Massenkundgebung radikaler Serben bevor.

Nach der Verhaftung von Radovan Karadzic vor einer Woche wird der Protest seiner Anhänger immer stärker. Für den heutigen Abend ist in Belgrad von 19 Uhr an eine Großdemonstration gegen seine Verhaftung und Auslieferung geplant, zu der die Organisatoren Zehntausende Teilnehmer erwarten. Bei der Kundgebung soll auch der Bruder des 63-Jährigen, Luka Karadzic, auftreten.

Auch am Montag demonstrierten in Belgrad Anhänger von Karadzic (Foto: Foto: AP)

Zum "allserbischen Protest" aufgerufen hat unter anderem die ultranationalistische Serbische Radikale Partei (SRS), deren früherer Vorsitzender Vojislav Seselj sich unter anderem wegen Kriegsverbrechen vor dem UN-Tribunal in Den Haag verantworten muss. Die Organisatoren erwarteten "mehrere zehntausend Patrioten", wie es hieß. Die Polizei kündigte umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen an, um Gewaltausbrüche zu verhindern.

In den Vortagen waren bei Protesten von Karadzic-Anhängern mehrere Journalisten verletzt und deren Ausrüstung beschädigt worden. An der Demonstration nimmt neben der Serbischen Radikalen Partei auch die Demokratische Partei des bisherigen Regierungschefs Vojislav Kostunica teil.

EU-Länder zögern mit Handelserleichterungen für Serbien

Die EU hat unterdessen eine Entscheidung über Handels- und Reiseerleichterungen für Serbien vertagt. Die Botschafter der 27 Mitgliedsländer vereinbarten EU-Diplomaten zufolge bei ihrem Treffen in Brüssel, zunächst die Überstellung Karadzics an den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag abzuwarten.

Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, nach der Festnahme des früheren bosnischen Serbenführers ein auf Eis liegendes Handelsabkommen mit Serbien in Kraft zu setzen. Die EU macht eine vollständige Zusammenarbeit Serbiens mit dem Gericht zur Bedingung für die Handelserleichterungen sowie den Beginn von Verhandlungen über einen EU-Beitritt des Landes.

Ihr Urteil darüber, ob Belgrad genug zur Bewältigung der Kriegsgräuel tut, stützt sie auf die Einschätzung von UN-Chefankläger Serge Brammertz. Die Niederlande und Belgien hatten beim Treffen der EU-Außenminister vergangene Woche darauf bestanden, den Bericht des Chefanklägers nach der Überstellung Karadzics abzuwarten und bei einem der nächsten Ministerräte im Herbst über ein Entgegenkommen zu entscheiden. Die EU-Botschafter unterstützten diese Forderung jetzt.

Serbische Justiz wartet weiterhin auf Einspruch von Karadzics Anwalt

Die serbische Justiz wartet unterdessen weiter auf den Eingang eines Briefs vom Anwalt des früheren bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic. Der Einspruch gegen die Überstellung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers nach Den Haag sei noch nicht eingetroffen, sagte ein Sprecher des serbischen Kriegsverbrechergerichts.

Karadzics Anwalt Svetozar Vujacic hatte den Brief nach eigenen Angaben am Freitagabend kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist in die Post gegeben. Über den Inhalt des Schreibens und das Postamt, in dem der Brief aufgegeben wurde, hatte sich Vujacic ausgeschwiegen. Eine gesetzliche Frist, bis wann der Brief eintreffen muss, gibt es nach Angaben des serbischen Kriegsverbrechergerichts nicht.

Das jeweilige Gericht müsse entscheiden, wie lange es warten wolle. Laut einem Bericht der serbischen Zeitung Alo! wird in einigen kleinen Dörfern Serbiens der Briefkasten nur einmal in der Woche geleert. Sobald das Belgrader Gericht Vujacics Einspruch erhält, soll binnen drei Tagen eine endgültige Entscheidung über Karadzics Überstellung an das Haager Tribunal gefällt werden. Eine entsprechende Anordnung müsste noch vom serbischen Justizministerium abgesegnet werden. Eine Verzögerung der Überstellung könnte Karadzics in Bosnien lebender Familie Gelegenheit geben, ihn in Serbien noch einmal zu besuchen.

© dpa/AFP/Reuters/ihe/gdo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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