Selbstauflösung des Bundestages:"Wir werden die SPD vor uns hertreiben"

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Angesichts blendender Umfragewerte hat die Union Blut geleckt und will Neuwahlen. CSU-Landesgruppenchef Glos droht der SPD mit einem Gesetzentwurf zur Selbstauflösung des Bundestages, der parlamentarische Geschäftsführer Röttgen will nichts davon wissen.

Die Union will eine Neuwahl des Bundestags notfalls mit einer Grundgesetzänderung erzwingen. Für den Fall, dass Bundespräsident Horst Köhler nach der Vertrauensfrage das Parlament nicht auflöst, werde die CDU/CSU-Fraktion einen entsprechenden Gesetzentwurf bereit halten, sagte der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Michael Glos, laut Magazin Stern.

Damit soll es dem Bundestag ermöglicht werden, sich mit Zwei-Drittel-Mehrheit selbst aufzulösen und eine Neuwahl herbeizuführen. "Wir werden die SPD damit vor uns hertreiben", sagte Glos.

Die Union werde Bundeskanzler Gerhard Schröder die Vertrauensfrage jedoch nicht ersparen und die Grundgesetzänderung erst danach einbringen.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion plant nach den Worten ihres Parlamentarischen Geschäftsführers Norbert Röttgen keine Verfassungsänderung mit dem Ziel, ein Selbstauflösungsrecht des Bundestages zu verankern. Röttgen sagte dem Kölner Stadtanzeiger: "Es gibt keine Planungen für eine Änderung des Grundgesetzes." Es sei allein Sache des Kanzlers, den Weg zu wählen, der zu Neuwahlen führen könne.

Beck: Grundgesetz kein Selbstbedienungsladen

Röttgen sagte, es sei allein Sache des Kanzlers, den Weg zu wählen, der zu Neuwahlen führen könne. Schröder habe sich auf die Vertrauensfrage festgelegt. "Wir erwarten die Entscheidung des Bundespräsidenten mit Respekt ab", fügte Röttgen hinzu. Glos hatte betont, die Union werde Schröder die Vertrauensfrage nicht ersparen und die Grundgesetzänderung erst danach einbringen. Demnach könnte das Parlament künftig mit Zwei-Drittel-Mehrheit jederzeit Neuwahlen herbeiführen.

Auch Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck kritisierte den Vorstoß von Glos. Das Grundgesetz sei "kein Selbstbedienungsladen, wo man tagesaktuell Änderungen vornimmt", sagte er. Die Politik sollte auf den Bestand vertrauen und nicht jeden Tag an der Verfassung stricken. Man könne zwar grundsätzlich über den Vorschlag reden, aber nur, wenn es keinen aktuellen Anlass dafür gebe.

Verfassungsrechtler für Selbstauflösungsrecht

Die Union würde für die Grundgesetzänderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigen und damit die Unterstützung der SPD-Fraktion. Auch SPD-Fraktionschef Franz Müntefering hat einen solchen Schritt aber bereits abgelehnt.

Mehrere Verfassungsrechtler haben sich dagegen für ein Selbstauflösungsrecht des Parlaments ausgesprochen, darunter die früheren Verfassungsrichter Ernst Benda und Ernst Gottfried Mahrenholz. Laut Stern ist auch Altbundespräsident Roman Herzog dafür.

Der Vorschlag ist alles andere als neu. Bereits 1976 hatte sich die Enquete-Kommission Verfassungsreform für ein Selbstauflösungsrecht mit Zwei-Drittel-Mehrheit ausgesprochen. Umgesetzt wurde die Empfehlung aber nie, obwohl auch die meisten Landesverfassungen eine solche Option enthalten.

Schröder will den Ältestenrat des Bundestags am Donnerstag davon in Kenntnis setzen, dass er am 1. Juli die Vertrauensfrage stellen will. Seinen entsprechenden Antrag wird er nach derzeitiger Planung am 29. Juni einreichen. Der Kanzler hat bereits angekündigt, dass er die Vertrauensfrage nicht mit einer Sachfrage verknüpfen wird.

Erhält Schröder keine Mehrheit, hat der Bundespräsident drei Wochen Zeit, das Parlament aufzulösen und eine Neuwahl anzusetzen. Bisher ist dies der einzige Weg zur Neuwahl, den das Grundgesetz vorsieht.

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