Sea Watch 3:In einem Boot

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Perspektive eines Flüchtlings: Heinrich Bedford-Strohm in Licata. (Foto: Annette Reuther/dpa)

EKD-Chef Bedford-Strohm besucht Flüchtlingsretter in Italien - und will damit ein Zeichen setzen.

Von Matthias Drobinski, München

Auf einmal durchwehte ein Hauch von Abenteuer die Reise von Heinrich Bedford-Strohm ins sizilianische Licata. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bayerische Landesbischof war gekommen, um der Crew des dort zwischenzeitlich festgesetzten Seenotretters Sea Watch 3 Unterstützung und Anteilnahme zu zeigen. Doch obwohl das Schiff am Sonntag wieder frei war, versperrten ein Eisengitter und eine behördliche Anordnung dem Kirchenmann den Zutritt zum Schiff. Was tun? Der Schiffsingenieur besorgte ein Schlauchboot, und Bedford-Strohm besichtigte die Sea Watch 3 von außen - aus der Perspektive eines Flüchtlings, nur dass er wusste, dass er bald wieder an Land stehen würde.

Der oberste Repräsentant von mehr als 20 Millionen evangelischen Christen wollte ein Zeichen setzen gegen die Abschottungspolitik des italienischen Innenministers Matteo Salvini, der das Schiff hatte beschlagnahmen lassen, als es mit 64 Geretteten in den Hafen von Lampedusa einlief. Der Kurztrip war aber auch ein Protest gegenüber der, so Bedford-Strohm, Gleichgültigkeit Europas: "Es ist eine Schande und ein Armutszeugnis, wenn wir für diese vergleichsweise wenigen Menschen keine Möglichkeit finden, dass sie an Land gehen können." Die Berichte der Crew über ihre Arbeit hätten ihn erschüttert, vor allem, wie viele Kinder sich unter den Bootsflüchtlingen befänden. Man dürfe die Menschen auch nicht in die Lager nach Libyen zurückschicken; sie würden dort in die Sklavenarbeit und die Prostitution getrieben.

Deshalb müsste die Kriminalisierung der privaten Seenotrettung aufhören, sagte Bedford-Strohm der Süddeutschen Zeitung. Gemeinsam mit Leoluca Orlando, dem Bürgermeister von Palermo, forderte er am Montag eine "Koalition der Willigen", die Bootsflüchtlinge aufnehmen. Viele Städte und Kommunen in Europa seien dazu bereit. Die EKD unterstützt Sea-Watch mit einem jährlichen Zuschuss von 100 000 Euro für den Betrieb des Aufklärungsflugzeuges Moonbird. Dass dies Flüchtlinge ermutigen könnte, sich in der Hoffnung auf Rettung aufs Meer zu wagen, sieht der Ratsvorsitzende nicht. Zudem lasse man ja auch niemanden verbluten, der leichtsinnig einen Autounfall gebaut habe: "Helfen ist Christenpflicht."

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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