Schwarzgeld-Skandal der CDU:Was wusste Roland Koch?

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Die Schatten der Vergangenheit holen die CDU ein: Heute hat der Prozess wegen der illegalen Konten der hessischen Union begonnen. Im Mittelpunkt der Affäre steht der "Schwarze Sheriff" Manfred Kanther - und auch für den hessischen Ministerpräsidenten kann es nochmal unangenehm werden.

Der Wiesbadener Richter Jochen Vogel, 51, ist normalerweise kein Papa Gnädig. Einen unter Spielsucht leidenden Autoverkäufer verurteilte der Vorsitzende Richter der 6. Großen Strafkammer zu sechs Jahren Haft.

Der nicht vorbestrafte Angeklagte, urteilte Vogel, sei raffiniert und planmäßig vorgegangen und habe großen Schaden angerichtet. Drei Bankräuber verurteilte er zu Haftstrafen von bis zu einundzwanzig Jahren.

Am heutigen Dienstag nun eröffnet Vogel die Sitzung gegen drei Männer, die auch sehr planmäßig vorgingen. Sie haben weder eine Bank überfallen noch sind sie durch Betrügereien aufgefallen. Der frühere CDU-Bundesinnenminister Manfred Kanther, 65, der ehemalige hessische CDU-Schatzmeister Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein, 87, und der frühere CDU-Finanzberater Horst Weyrauch, 72, sollen vielmehr Anfang der achtziger Jahre heimlich mehr als zwanzig Millionen Mark, die auf Konten der hessischen CDU lagerten, in die Schweiz geschafft und das Geld später in kleinen Portionen zurückgeholt haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Beschuldigten Untreue zu Lasten der eigenen Partei vor, weil die Millionen der Kontrolle der zuständigen Parteigremien entzogen worden seien. Kein einfacher Sachverhalt: Das Geld hatte sich auf den Schweizer Konten kräftig vermehrt, und die Rückflüsse waren ausschließlich der Partei zugute gekommen - ein gutes Geschäft also, wenn auch ein anrüchiges.

Schatten der Vergangenheit

In dem zunächst bis Mitte Dezember auf 15 Termine angesetzten Prozess sind 19 Zeugen geladen, darunter politische Prominenz wie der frühere hessische CDU-Ministerpräsident Walter Wallmann und der derzeitige Wiesbadener CDU-Regierungschef Roland Koch.

Die Schatten der Vergangenheit holen die CDU damit noch einmal ein. Nach der großen Parteispenden-Affäre Ende 1999, Anfang 2000 verlor die CDU bundesweit rasant; die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gingen verloren, obwohl die Prognosen im Herbst 1999 für die CDU noch hervorragend gewesen waren.

Es geht im Prozess um hessische Verhältnisse und ums Tarnen, Täuschen, Tricksen. Und es geht um Anstand. Unappetitlich war etwa, dass die hessische CDU die Geschichte von den "deutschstämmigen jüdischen Emigranten" erfand, von denen angeblich die Millionen in der Schweiz stammen sollten.

Im Mittelpunkt der Affäre steht ein Mann, der mal der "Schwarze Sheriff" genannt wurde, weil er die Verkörperung von Recht und Gesetz zu sein schien. Kanther, von 1991 bis 1998 CDU-Landeschef in Hessen, war 1993 von Bundeskanzler Helmut Kohl als Innenminister nach Bonn geholt worden. Er ist der erste ehemalige Bundesinnenminister, der wegen Untreue vor Gericht kommt.

Freunde sagen, dass er diese Situation als Anschlag auf seine Biographie empfinde. Die Behauptung, er sei kriminell geworden, hat er immer heftig bestritten. Allerdings habe er, räumt Kanther ein, als Generalsekretär der Hessen-CDU 1983 sein Plazet gegeben, die 20 Millionen Mark heimlich in die Schweiz transferieren zu lassen.

Das sei ein "gravierender Regelverstoß", ein "politischer Fehler" gewesen, für den er auch "uneingeschränkt die Verantwortung übernehme".

Verantwortung? Als die Staatsanwaltschaft Wiesbaden im Mai 2001 die 88 Seiten dicke Anklage vorlegte, warf Kanther den Strafverfolgern vor, eine "juristische Kunstfigur von Untreue" geschaffen zu haben. Die 6. Große Strafkammer des Richters Vogel gab dem Juristen Kanther indirekt Recht, als sie im März 2002 die Eröffnung des Hauptverfahrens mit der Begründung ablehnte, der Fall sei verjährt und Untreue liege nicht vor.

Der CDU sei kein Vermögensschaden entstanden. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt wies aber Anfang dieses Jahres die 6. Strafkammer an, den Fall doch zu verhandeln. Der Fall sei nicht verjährt, es könne Untreue vorliegen - und ein gewaltiger materieller Schaden kann der CDU auch entstehen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte nämlich vor einiger Zeit entschieden, die Bundes-CDU müsse wegen eines unrichtigen und unvollständigen Rechenschaftsberichts ihres hessischen Landesverbandes knapp 21 Millionen Euro zurückzahlen.

Ob die vom Bundestagspräsidenten verhängte Sanktion des Parteiengesetzes Bestand hat, wird wohl noch im Herbst das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Theoretisch hätte das OLG den Fall an eine andere Kammer in Wiesbaden abgeben können, verzichtete aber hierauf. An der Unvoreingenommenheit von Vogel und Kollegen besteht aus Sicht des OLG kein Zweifel. Im Februar 2000, auf dem Höhepunkt der Parteispenden-Affäre, ist Vogel in die CDU eingetreten. Den Entschluss dazu hatte er nach eigenen Angaben schon vorher gefasst.

© SZ vom 17.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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