Schwarz-Grün:Schöne Zeiten sind gefährlich

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Taktik reicht nicht, wenn Überzeugungen fehlen. Die CDU sehnt sich nach der Bündnismöglichkeit Schwarz-Grün, ist darauf aber kaum vorbereitet.

Stefan Braun

Die CDU im Bund hat derzeit ein schönes Leben. Die SPD kämpft mit der Linkspartei und mit sich selber. Die Grünen ringen darum, eine neue Führung aufzustellen. Die FDP jault ein bisschen und kann doch nichts bewegen. Selbst die Einbußen der CSU bei der Kommunalwahl in Bayern können der Partei der Kanzlerin nichts anhaben. So reiben sie sich die Hände bei den Christdemokraten.

Zumal in Hamburg die Chance besteht, ein schwarz-grünes Bündnis zu bilden. Das würde den Taktikern im Konrad-Adenauer-Haus besonders gefallen. Optionen! Optionen! Wer will die nicht haben in diesen Tagen. Schöne Zeiten aber sind gefährlich. Sie machen bequem und verstellen den Blick darauf, dass schwarz-grüne Bündnisse nicht vom Himmel fallen, sondern vorbereitet werden wollen - inhaltlich wie öffentlich.

Die Landtagswahl in Hessen hat auch für die CDU sehr viel verändert. Mit Roland Kochs dramatischen Verlusten hat nicht nur ein wichtiger Ministerpräsident eine schwere Niederlage erlitten. Ein bestimmtes Prinzip an Wahlkampfführung, an Ansprache, an Feindbild-Aggressionen hat sich zwischen Darmstadt und Kassel als überholt erwiesen. Als Koch zuletzt versuchte, den Grünen in Hessen irgendwie doch Avancen zu machen, war das ein hilfloser Versuch, noch etwas zu wenden. Taktik reicht nicht mehr, wenn Überzeugungen fehlen. Das ist eine gute Botschaft - nicht für die Taktiker, aber für die Wähler.

Dass das nicht nur für Koch schmerzhaft ist, sondern lehrreich auch für die CDU-Spitze, zeigt ihr Umgang mit Ole von Beust. Was haben sie den Kopf geschüttelt im Adenauer-Haus, als der Hamburger schon Anfang des Jahres darüber sprach, er könne auch mit den Grünen. Über so etwas schweigt man, haben sie ihm zugemurmelt. Das ist unklug, haben sie geflüstert.

Heute steht Beust gut da - als einer, der frei ist vom Vorwurf, sein Wort gebrochen zu haben. Beust hat demonstriert, dass altes Taktikverständnis nichts mehr wert ist. Die Wähler wollen wissen, was kommt und was möglich ist. Sie sind in ihrer Mehrheit klüger, als Parteiführungen denken. Sie belohnen den, der mit offenem Visier ficht.

Soll das Reden von neuen Optionen mehr sein als das Geschwätz von Parteistrategen, muss die CDU über schwarz-grüne Inhalte reden. Sie darf das nicht mehr nur hinter verschlossenen Türen machen. Sie muss sich zu mehr bekennen als zur Botschaft: Wir sind die Mitte. Haushaltskonsolidierung, Klimapolitik, Bildungsinvestitionen, die Familie und ihre Förderung - es gibt genug Bereiche, über die Schwarze und Grüne längst in ähnlicher Tonlage reden.

Nachhaltigkeit steht bei beiden drüber. Nur ausgesprochen wird das nicht, aus Angst vor den Stammwählern. Genau da liegt der Trugschluss. Stammwähler sind nicht dümmer als andere. Sie wollen nur besonders überzeugt werden. Vor der Wahl, versteht sich. Glaubwürdigkeit ist schon immer wichtig gewesen. Nach Hessen ist sie noch wichtiger geworden.

© SZ vom 08.03.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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