Schulz:Fragen sind erlaubt

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Der SPD-Kanzlerkandidat gilt als Mann des Volkes. Gerade deshalb muss er sagen, warum er Privilegien seines Mitarbeiters billigt. Aber der Angriffston der Union ist überzogen und widerspricht der Zusage, einen fairen Wahlkampf führen zu wollen. Mäßigung ist geboten.

Von Stefan Braun

Mancher in der Union redet schon von Skandal, Betrug und Unverschämtheit. Und mancher aus den Reihen der Sozialdemokraten wettert über die Schmutzkampagne des politischen Gegners. Was beide Seiten nicht merken: In der Debatte über Martin Schulz und seine Zeit als EU-Parlamentspräsident finden sie schon zu Beginn des Wahlkampfes den angemessenen Ton nicht.

Es ist erstaunlich, wie schwer sich die großen Parteien damit tun, aus ihrer Kritik an den aggressiv auftrumpfenden Populisten in Amerika und anderswo eigene Pflichten und Ansprüche abzuleiten. Wollen sie glaubwürdig als Gegenpol zu Wilders und Co auftreten, dann müssen sie sich auch selbst mehr Zurückhaltung bei Angriff und Attacke auferlegen.

Die Aufregung über die Spesenabrechnungen aus dem Büro Martin Schulz zeigt zunächst nur, wie sehr die Nominierung und die rasante Zustimmung für den ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten die Lage verändert. Jahrelang musste sich die Union nicht wirklich fragen, ob die SPD noch einmal auf Augenhöhe um Wähler kämpfen würde. Inzwischen müssen sich CDU und CSU an den Gedanken gewöhnen, dass die Rollen zwischen den beiden Volksparteien getauscht werden könnten.

Bei all ihrer Euphorie ist freilich auch die SPD nervös. Wer Stimmung und Trend so lange schon nicht mehr auf seiner Seite hatte, will jetzt auf keinen Fall, dass sich die Sache wieder wendet. Zu furchtbar wäre es, mit Schwung ins Wahljahr zu starten und am Ende wieder als Verlierer zu enden. Deshalb sind die Sozialdemokraten trotz aller Schulz-Begeisterung hochsensibel - und können sehr nervös bis aggressiv werden, wenn Fragen auftauchen, die am schönen Image des Traumkandidaten kratzen.

Die Attacken auf Schulz schaden auch der Union selbst

Es ist deshalb verständlich, dass die SPD auf die Fragen zu den Reisekosten und Entlohnungen eines engen Schulz-Mitarbeiters erst mal verärgert, zornig, harsch reagiert. Klug allerdings ist dieses Beißverhalten nicht. Denn die Frage, ob dieser enge Mitarbeiter mit Dienstsitz Brüssel und Dauerdienstreise nach Berlin wirklich einen Auslandszuschlag und gut 16 000 Euro an Reisekosten erhalten musste, ist berechtigt. Selbst wenn die Zahlung von den Regeln des EU-Parlaments gedeckt gewesen sein sollte, stellt sich die Frage, ob die Zuwendung auch moralisch einwandfrei ist. Musste das sein? Und: Klingt so etwas nicht merkwürdig, gerade bei einem Kanzlerkandidaten, der so sehr auf das Thema Gerechtigkeit baut?

Schulz lebt derzeit von zwei Eigenschaften, die ihm viele Menschen über alle Parteigrenzen hinweg zuschreiben. Er hat, so die Einschätzung, das Herz am rechten Fleck. Und seine Leidenschaft für Politik, für die SPD, für Gerechtigkeit und für Europa - sie ist echt. Noch ist er nicht belastet von den Details eines Programms oder muss sich an großen Gesellschaftsentwürfen messen lassen. Er wird getragen von einem Grundgefühl, das viele Menschen mit ihm verbinden. Deshalb ist die Frage nach dem Umgang mit Privilegien berechtigt. Schulz wird erklären müssen, wie er sich dazu verhält.

Die Union sollte sich davon nicht zu viel versprechen - und sie sollte erst recht nicht mit dem Finger auf die Sozialdemokraten zeigen. Ihre Attacken gegen Schulz gefährden derzeit vor allem sie selbst. Wie erst Finanzminister Wolfgang Schäuble und nun auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier den Sozialdemokraten mit Trump verglichen haben, ist nicht nur falsch, sondern unklug. Es wirft ausgerechnet bei zwei so erfahrenen Politikern die Frage auf, ob sie jedes Maß verloren haben. In Zeiten, in denen die Demokratie von Aggressionisten bedroht wird, wünschte man sich Demokraten, die Format haben.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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