Schröder vs. Eichel:Sparen nur noch mit Worten

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Es sind die Szenen eines Machtkampfs: Der Kanzler will die höheren Schulden, der Finanzminister sträubt sich.

Von Ulrich Schäfer

Zwei Tage lang liefen die Meldungen über die Ticker. Zwei Tage lang hieß es: Der Kanzler, und mit ihm die gesamte Regierung, gebe den Sparkurs auf. Niemand widersprach. Warum auch? Joschka Fischer, der Vizekanzler, hatte schließlich öffentlich erklärt, für einen begrenzten Zeitraum müsse die konjunkturelle Erholung Priorität haben.

Ein Regierungssprecher bestätigte, es habe am vergangenen Mittwoch ein Geheimtreffen im Kanzleramt gegeben. Dabei waren Gerhard Schröder, Hans Eichel, Franz Müntefering, Joschka Fischer und Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier. Über Details der Unterredung mochte der Mann nichts sagen, aber die standen im Spiegel und in der Bild am Sonntag.

"Grundfalsch und frei erfunden"

Erst als am Montag auch die anderen Zeitungen voll waren mit Schlagzeilen über den vermeintlichen Schwenk, die Kurskorrektur, ja: den Paradigmenwechsel, folgte das Dementi. Die Berichte seien "grundfalsch und frei erfunden", beteuerte Finanzminister Hans Eichel.

Ähnliches vernahm man von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, der in der Kungelrunde gefehlt hatte, aber in deren Vorbereitung eingebunden war. Auch der Kanzler versicherte: "An dieser Dikussion ist nichts, aber auch gar nichts dran." Er habe nicht die Absicht, "den Konsolidierungsplan zu verlassen".

Was denn nun? Sparen: Ja oder nein? Schulden: Rauf oder allmählich runter? Tatsächlich ist beides richtig und noch nichts entschieden. Die seltsame Öffentlichkeitsarbeit - erst die schweigende Bestätigung, dann der heftige Widerspruch - ist ein weiteres Indiz dafür, dass hinter den Kulissen der Regierung ein veritabler Machtkampf tobt. Es geht um den weiteren Kurs in der Finanzpolitik - und um die Zukunft des Finanzministers.

Eichel will weiter machen wie bisher, den Stabilitätspakt möglichst einhalten und die Schuldengrenzen des Grundgesetzes auch. Der Kanzler dagegen - und mit ihm weite Teile der Koalition - halten nach drei Jahren der Stagnation wenig von dieser Politik. Eichel ist auf Schröders Druck hin schon weicher geworden, er hat einen zeitlichen Aufschub im Defizitstreit mit Brüssel erreicht, aber er ist eben noch nicht weich genug.

Gelegenheitsökonom Joschka Fischer sagt, was alle denken

Solange die Umfragewerte derart mies sind, will Schröder allenfalls dem Worte nach sparen, nicht dem Sinn nach. Insofern hat der Gelegenheitsökonom Joschka Fischer bloß offen ausgesprochen, was in Kanzleramt und Wirtschaftsministerium gedacht wird: So wie bisher geht es mit der Haushaltspolitik nicht weiter.

Sichtbar wurde der Richtungsstreit zwischen Eichel und Schröder, zwischen Finanzminister und Kanzler, erstmals vor zwei Wochen, als es um die Neubesetzung der Bundesbank-Spitze ging. Schröder hätte, ebenso wie Clement, am liebsten den Würzburger Hochschullehrer Peter Bofinger berufen, einen Anhänger der Nachfragetheorien von John Maynard Keynes.

Bofinger steht für eine Finanzpolitik, die, wenn die Konjunktur stottert, notfalls mehr Schulden in Kauf nimmt und wenig davon hält, wenn die Europäische Zentralbank die Zinsen allzu hoch belässt. Er sollte, sagt Bofinger, einen Paradigmenwechsel einleiten.

Schröder wünscht sich mehr Geld für Bildung und Forschung

Nur weil Eichel sich mit aller Macht sträubte, verzichtete Schröder und berief an Stelle Bofingers einen anderen Ökonomen, den Stabilitätsanhänger Axel Weber.

Zwei Wochen später geht es nun um den Haushalt, um die Löcher, die Eichel plagen, und mit ihm die Koalition. 18 Milliarden Euro fehlen in diesem Jahr, 15 Milliarden im nächsten, erklärte der Finanzminister der Runde im Kanzleramt.

Außerdem wünscht sich Schröder mehr Geld für Bildung und Forschung. Eichel soll deshalb die Eigenheimzulage streichen - doch das bringt im Jahr vor der Bundestagswahl gerade mal 200 Millionen Euro. Die Lage sei "außerordentlich kompliziert", erklärte Eichel.

Wie der Kanzler diese Kompliziertheit auflösen will, hatte er bereits am Morgen des selben Tages im Kabinett klar gemacht: Ein weiteres Sparpaket solle es nicht geben. Weitere Einschnitte, befanden auch andere am Kabinettstisch, seien Gift für die Konjunktur. Die abendliche Sitzung, hieß es, habe dazu gedient, Eichel dies nochmals klar zu machen.

Die Agnst des einstigen "Sparminators"

Der jedoch mag nicht öffentlich dem Stabilitätspakt abschwören. Er will, wie er es der EU-Kommission versprochen hat, alles tun, um nächstes Jahr wieder die magische Schuldenmarke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts einzuhalten. Vor der Steuerschätzung am 13. Mai, die weitere milliardenschwere Haushaltslöcher bescheren wird, will er sich deshalb den Rückhalt des Kanzlers einholen.

Und mit ihm grundsätzlich klären, was sich noch durch Aktien- oder Goldverkäufe bewegen lässt und was sich noch einsparen lässt. Am Sonntag, als die Berichte über den vermeintlichen Kurswechsel überhand nahmen, griff Eichel sogar selber zum Telefon, um ein Dementi des Bundespresseamts zu verlangen. Es blieb windelweich.

Der einstige "Sparminator" ahnt, dass es für ihn schnell vorbei sein kann. Er liest die Berichte, die über eine mögliche Kabinettsumbildung lanciert werden, sehr genau und macht sich keine Illusionen. Insofern kann es ihn auch nicht beruhigen, wenn der Regierungssprecher am Montag über den Sparkurs sagt, "dass da alle völlig auf einer Linie sind".

© SZ vom 4. Mai 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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