Schröder und Fischer:Inszenierung des Zufalls

Lesezeit: 3 min

Die Kandidatur-Ankündigung Schröders und Fischers ist nicht das Ergebnis gezielter Strategie. Schröders Credo, mehr als acht Jahre solle man nicht Kanzler sein, war längst aufgeweicht.

Von Christoph Schwennicke und Susanne Höll

(SZ vom 29.8.2003) - Was haben sie sich anfangs erhoben über die ganze Aufregung. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering habe lediglich eine Frage beantwortet, sagte Generalsekretär Olaf Scholz am Montag süffisant.

Ein Journalist hatte nach der Präsidiumssitzung von Scholz noch einmal wissen wollen, wer denn 2006 zur Bundestagswahl antrete. Und der Generalsekretär sagte natürlich nichts anderes, als was Müntefering in dem tags zuvor in der Welt am Sonntag veröffentlichten Interview verkündet hatte: "Für uns natürlich Gerhard Schröder, davon gehe ich aus", hatte Müntefering gesagt und damit einen gewaltigen Medien-Rummel ausgelöst.

Bis zum Ende der Woche hatte sich der Regierungs- und Parteiapparat dann von der Aufregung mitreißen lassen. Schröder und Fischer wurden als Sieger-Duo präsentiert, das im Jahr 2006 wieder antritt.

Bild-Zeitung färbt Schröders Haare grau

Dazwischen ist vieles passiert: Einen Tag nach der Äußerung Münteferings erschien die Bild-Zeitung mit einem künstlich ergrauten Schröder-Kopf und einer Geschichte über den "ewigen Kanzler". Schröder, der immer einen interessierten Blick auf das Massenblatt hat, beteuerte belustigt, ewig wolle er nicht regieren.

Auch in der Fraktionssitzung am Dienstag machte er sich lustig über die Debatte um seine Ambitionen auf eine dritte Amtszeit. Viele unterstellten bei dieser Debatte nun eine großartige Strategie, sagte er augenzwinkernd zu den Abgeordneten.

In seiner großen Pressekonferenz nach der Sommerpause hatte Schröder eine eher ungezielte Frage nach einer weiteren Amtszeit so beantwortet: Er habe dies für sich entschieden. Dies konnte man nur so verstehen, dass er 2006 wieder kandidieren will.

Denn sein einstiges Credo, mehr als acht Jahre solle man nicht Kanzler sein, war längst aufgeweicht. Bei diversen Auftritten hatte Schröder immer wieder betont, dass ihm das Regieren viel Spaß mache und er die Sache mit den acht Jahren nicht mehr so sehe wie früher.

Schröder nutzt einen medialen Zufall zur Werbung

Mit einiger Sicherheit war es dann Anfang der Woche wie so oft in der Mediokratie des Volkskanzlers Schröder. Ein medialer Zufall wird zur Werbung in eigener Sache genutzt. Gerhard Schröder deutete in einem Interview mit dem Fernsehsender RTL an, Joschka Fischer werde demnächst erklären, ob er nach Brüssel geht oder in Berlin bleibt.

Kurz zuvor, beim Mittagessen, hatten sich Schröder und Fischer noch einmal verständigt. In der Woche vorher soll es auch mit Scholz und Müntefering Gespräche über einen dritten Anlauf Schröders gegeben haben.

Als am Donnerstag dann Fischer und seine Leute Schröders Aussage bei RTL über die Agenturticker kommen sahen, dauerte es nur wenige Minuten, bis die Erklärung über Fischers Verzicht auf das Amt in Brüssel aus dem Auswärtigen Amt kam.

Eine gezielte Medienstrategie - wer sagt wem, wann, dass Fischer bleibt - gab es aber nicht. Im Kanzleramt wunderte sich die Schröder-Mannschaft, als um 17.29 eine Reuters-Meldung über den Verbleib Fischers über die Bildschirme flackerte: Blutrot mit höchster Priorität, was sonst Ereignissen wie den Terroranschlägen vom 11. September in den USA vorbehalten ist.

Selbst Schröders Büroleiterin soll erstaunt gewesen sein. Nicht über die Tatsache, dass Fischer in Berlin bleibt. Sondern darüber, dass es publik wurde.

Dass Fischer bleibt, war in der Regierung klar

Denn dass Fischer nicht nach Brüssel will, war Schröders Helfern schon länger klar. Ablesen lässt sich das an Sätzen wie: "Fischer hat doch schon länger angedeutet, dass er sich wieder mehr für die Innenpolitik interessiert." Oder an dem Verweis darauf, dass Schröder seine Agenda wohl nicht ohne Hintersinn mit der Jahreszahl 2010 versehen habe.

Strategie und Tiefsinn also, wohin man schaut. Möglicherweise ergibt die Addition der Geburtstagsdaten von Scholz, Müntefering und Schröder dividiert durch den Nachhaltigkeitsfaktor bei der Rente auch das angestrebte Wahlergebnis 2006.

Nur wenige jedenfalls machen sich in der SPD Gedanken darüber, dass vor lauter Polit-Logelei in der Berliner Luftblase das im doppelten Wortsinn normale Wahlvolk solchen Nachrichten nur mit einem verständnislosen Kopfschütteln begegnet. Man müsse, sagt einer aus der SPD-Vorstand, aufpassen, dass man die Bild-Zeitung nicht mit Volkes Stimme verwechsele.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: