Schröder und das Pipeline-Projekt:Zypries regt Ehrenkodex für Politik-Aussteiger an

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Seit bekannt ist, dass der Ex-Kanzler für das deutsch-russische Pipeline-Konsortium arbeitet, hagelt es Kritik. Seine frühere Justizministerin hat nun angeregt, den EU-Ehrenkodex für Ex-Politiker auch in Deutschland einzuführen.

Dass sich ein Mann wie Gerhard Schröder nach Verlassen des Bundeskanzleramts mit 61 Jahren zur Ruhe setzen und Memoiren schreiben würde, hat wohl niemand ernsthaft erwartet.

So war es auch keine große Überraschung, als im November sein Beratervertrag mit dem Schweizer Ringier-Verlag bekannt gegeben wurde - schließlich war Schröder schon vor seinem Wechsel in die Berufspolitik erfolgreicher Rechtsanwalt.

Doch seitdem er als Vorsitzender des Trägerkonsortiums für den Bau der deutsch-russischen Erdgaspipeline durch die Ostsee benannt wurde, steht der Exkanzler im massiven Kreuzfeuer der Kritik.

"Gerhard Schröder hat mit seinem Verhalten dem Ansehen der Politik in Deutschland schweren Schaden zugefügt", urteilte der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und forderte ihn zum Verzicht auf die Funktion auf.

Viel schärfer formulierte es der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt, der Schröders Posten als "Schweigegeld für Völkermord" der Russen in Tschetschenien bezeichnete. In der SPD sind die Meinungen geteilt.

Auch der Thüringer Landesvorsitzende Christoph Matschie sieht die Gefahr, dass Schröder sein hohes Ansehen verlieren könnte. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler dagegen findet es gerade gut, dass der Exkanzler Verantwortung übernimmt und in dem Konsortium die strategischen Interessen der Bundesrepublik vertritt.

Klar ist, dass Schröders Wechsel rechtlich nicht zu beanstanden ist. Es geht letztlich um eine rein moralische Frage, die für Politiker in Deutschland nicht geregelt ist.

Nach anderen Politikern hat auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries daher einen Verhaltenskodex für Politiker angeregt, für den es durchaus Vorbilder gibt.

"Lex Bangemann" für deutsche Politik-Aussteiger

Die Sozialdemokratin nannte sie am Montag beim Namen: den einst als "Lex Bangemann" bekannt gewordenen Ehrenkodex der Europäischen Union und den in Deutschland geltenden so genannten Corporate Governance Kodex für die Wirtschaft.

Den EU-Ehrenkodex hatte die Brüsseler Kommission unter Romano Prodi im Jahr 2000 aufgestellt, nachdem ihre Vorgänger unter dem Vorwurf der Vetternwirtschaft und des Missmanagements gehen mussten. Auslöser war insbesondere der Schritt des ehemaligen FDP-Bundesministers Martin Bangemann, seinen Posten als EU-Industriekommissar vorzeitig aufzugeben, um Manager bei der spanischen Telefongesellschaft Telefónica zu werden.

Der bis heute gültige Kodex legt ausscheidenden Kommissaren der Europäischen Union nunmehr ein Jahr "Abkühlzeit" auf, in der sie nur mit Sondergenehmigung einen neuen Job antreten dürfen. Außerdem enthält er genaue Vorschriften für die Ernennung von Mitarbeitern, die Abrechnung von Spesen sowie die Offenlegung der privaten Vermögensverhältnisse der Kommissionsmitglieder.

Zudem dürfen sie weder bezahlten noch ehrenamtlichen Nebentätigkeiten nachgehen. Nur Vorlesungen an der Universität oder Ehrenämter in Stiftungen sind erlaubt.

Zwtl: Wirtschaft mit Kodex zufrieden

Jünger ist der Deutsche Corporate Governance Index für die Wirtschaft, der auch in die gesetzliche Zuständigkeit von Justizministerin Zypries fällt. Dazu hatte die rot-grüne Bundesregierung im September 2001 eine Kommission eingesetzt, die bereits wenige Monate später Ergebnisse vorlegte.

Der Kodex wurde mehrfach nachgebessert, die derzeit gültige Fassung stammt vom Juni 2005. Sein Ziel ist laut Präambel, die geltenden Regeln für die Leitung und Überwachung von Unternehmen für deutsche wie ausländische Investoren transparent zu machen und so das Vertrauen in die Unternehmensführung hiesiger Gesellschaften zu stärken.

Und zwar nicht nur das Vertrauen der Anleger, sondern ausdrücklich auch der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit. Der Kodex gilt offiziell für die börsennotierten Unternehmen. Seine Anwendung wird aber auch anderen Firmen empfohlen.

Bei den Bestimmungen handelt sich zwar im Wesentlichen um Empfehlungen. Wenn ein Unternehmen davon abweicht, ist es aber verpflichtet, dies zu begründen - und zwar im Internet, dem Geschäftsbericht, aber auch auf der Hauptversammlung gegenüber den Aktionären sowie gegenüber Presse und Öffentlichkeit.

Der Druck, sich an die Empfehlungen zu halten, ist daher groß, wie die mit der Überwachung des Corporate Governance Kodex Befassten versichern.

Konkret geht es dabei etwa um einen Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsratsvorsitz, der nicht die Regel sein soll. Oder aber um die Veröffentlichung von Managergehältern, mit der die vom ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme geleitete Kommission absolutes Neuland betrat.

Sein eigenes Unternehmen hielt sich auch von Anfang an daran und legte die Bezüge offen. Zahlreiche andere Gesellschaften aber wichen in diesem Punkt von den Empfehlungen ab, so dass sich Zypries schließlich zu einer gesetzlichen Regelung veranlasst sah.

Jedes Jahr findet im Juni eine Konferenz statt, auf der Bilanz gezogen und eine Fortschreibung des Kodex geprüft wird.

Beim letzten Mal äußerte sich Cromme zufrieden: 70 der 72 Empfehlungen und damit 97,3 Prozent würden bis zum Jahresende von den Trend setzenden DAX-Unternehmen erfüllt. Franz-Josef Leven, Direktor beim Deutschen Aktien-Institut, hält den Kodex auf eine politische Regelung nicht für 1:1 übertragbar. Aber einen Abschreckungseffekt von ähnlichen Regelungen könnte er sich schon vorstellen.

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