Scharon in Washington:Bush leitet Wende in der Nahost-Politik der USA ein

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In der amerikanischen Nahost-Politik zeichnet sich eine drastische Wende ab. Das Weiße Haus signalisierte vor einem Treffen zwischen US-Präsident Bush und dem israelischen Ministerpräsidenten Scharon Zugeständnisse an Israels Siedlungspolitik.

Der israelische Regierungschef beharrt darauf, fünf Siedlungsblöcke im Westjordanland dauerhaft Israel zuzuschreiben. Die amerikanische Regierung will offenbar in einer Erklärung die "demografischen Realitäten" anerkennen. Der palästinensische Premier Achmed Kurei kündigte heftigen Widerstand an.

Bisher hatte die Regierung Bush offiziell den "Fahrplan zum Frieden", die so genannte Road map, unterstützt. Bush selber hatte die israelischen Siedlungen als Hindernis auf dem Weg zum Frieden bezeichnet. Eine Anerkennung von fünf Siedlungsblöcken im Westjordanland würden der Road map widersprechen.

Scharon hatte vor seiner Abreise aus Israel überraschend die fünf Siedlungen benannt, in denen etwa 92000 der 210000 Siedler leben. Der Friedensfahrplan, der von den USA, den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und Russland, also dem so genannten Nahost-Quartett vereinbart wurde, verlangt grundsätzlich, dass alle jüdischen Siedlungen aufgelöst werden. Der israelische Premier wollte von Bush außerdem die Zustimmung zu seinen Abzugsplänen aus dem Gaza-Streifen erhalten.

Warnung vor neuer Gewalt

Vor dem Gespräch zwischen Bush und Scharon war bereits die amerikanische Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice mit dem Premierminister zusammengekommen. Parallel dazu hatte eine hochrangige Expertengruppe an den Details der politischen Erklärung gearbeitet. Es wurde spekuliert, dass Bush und Scharon Briefe austauschen könnten, aus denen der Politikwechsel sichtbar würde.

Zumindest indirekt würde Bush anerkennen, dass Israel Siedlungen im Westjordanland aufrecht erhalten dürfe. In amerikanischen Regierungskreisen hieß es, Bush wolle somit Scharon die nötige Unterstützung geben, die der Premier in Israel zur Durchsetzung seiner Abzugspläne braucht.

Scharon hatte im Dezember angekündigt, dass sich Israel aus dem Gaza-Streifen und aus Teilen des Westjordanlandes zurückziehen werde. Dies führte jedoch zu heftigen Protesten der Siedlerbewegung und innerhalb der israelischen Regierung. Im Mai will der Likud-Block in einem Referendum über die Rückzugspläne abstimmen. Israelische Beobachter halten im Falle einer Abstimmungsniederlage einen Rücktritt Scharons für unausweichlich.

Bush wollte bei seinem Treffen mit Scharon offenbar auch den Vorstellungen Israels zustimmen, nach denen die etwa vier Millionen palästinensischen Flüchtlinge - später geborene Kinder und Enkel mitgerechnet - künftig nur in einem Palästinenserstaat im Westjordanland und im Gaza-Streifen leben sollen. Ein Recht auf Rückkehr in das israelische Kerngebiet hätten sie somit nicht.

Tür und Tor für neue Gewalt geöffnet

Die palästinensische Führung warnte vor dem Gespräch zwischen Bush und Scharon vor einer solchen Vereinbarung. "Dies würde das Ende des Friedensprozesses bedeuten", hieß es in einer in Ramallah vom Büro des Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat veröffentlichten Erklärung. Die erwartete Vereinbarung sei ein "illegaler Akt", entstehe "hinter dem Rücken der palästinensischen Führung" und öffne "Tür und Tor für neue Gewalt".

Die Palästinenser fordern einen eigenen Staat und damit die Räumung aller jüdischen Siedlungen in den 1967 von Israel besetzten Gebieten. Der palästinensische Ministerpräsident Kurei betonte, die USA dürften keine Entscheidungen vorwegnehmen, die erst bei Verhandlungen über eine endgültige Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern geklärt werden sollten. Israel müsse sich an den internationalen Nahost-Friedensplan halten.

"Jede Aussage, die der Road map widerspricht, wird weitere Verhandlungen unmöglich machen", sagte Kurei. Die Road map soll in mehreren Schritten letztendlich zur Gründung eines unabhängigen Staates Palästina führen und so den Nahost-Konflikt beenden.

Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak hatte am Montag nach einem Treffen mit Bush erklärt, jeder israelische Rückzug aus palästinensischen Gebieten sei willkommen. Der von Scharon angekündigte Abzug aus dem Gaza-Streifen sei jedoch nicht genug. "Das wird von der öffentlichen Meinung in der Region nicht akzeptiert", sagte Mubarak.

© SZ vom 15.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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