Scharfer Angriff auf die Versorgungsunternehmen:Clement fordert Verzicht auf höhere Strompreise

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Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat die Energiekonzerne in ungewohnt scharfer Form aufgefordert, die angekündigten Preiserhöhungen für Strom und Gas zurückzunehmen. Die Energieversorger klagen über gestiegene Rohstoffpreise und hohe staatliche Belastungen.

Von Michael Bauchmüller und Nina Bovensiepen

Angesichts der von allen großen Versorgern angekündigten Preiserhöhungen für Strom und Gas verschärft sich der Ton zwischen Regierung und Konzernen. Der Wirtschaftsminister warnte die Unternehmen in der Haushaltsdebatte des Bundestages am Donnerstag davor, den Aufschwung zu gefährden. Die unangemessen hohen Energiekosten lähmten die ohnehin zu schwache Inlandsnachfrage.

Clement äußerte den Verdacht, dass hinter der Preispolitik der Konzerne vor allem Geschäftemacherei stecke. "Wichtig ist mir, die Verantwortung dieser Unternehmen heranzuziehen, jetzt diese Preisankündigungen zurückzuziehen, damit wir wieder in eine vernünftige Diskussion kommen", sagte der Minister.

"Enorme Talfahrt"

Einen Tag zuvor hatte Clement bekannt gegeben, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Konzerne und Großverbraucher zu einem Energiegipfel einladen will. Auch Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) soll daran teilnehmen. Angeblich soll das Gespräch "zeitnah" stattfinden. "Wir erhoffen uns vom Energiegipfel eine Versachlichung dieser emotional aufgeheizten Debatte um Energiepreise und den Strommarkt", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), Eberhard Meller, am Rande des Weltenergiekongresses in Sydney.

Meller verteidigte die Preispolitik. Die Konzerne reagierten auf höhere Brennstoffpreise und die Kosten für die Förderung erneuerbarer Energien wie Sonne und Wind. Seit Einführung des Wettbewerbs hätten die Strompreise eine "enorme Talfahrt" hinter sich. Der reine Strompreis liege in diesem Jahr noch etwa 16 Prozent unter dem Wert von 1998. Damals waren die deutschen Strommärkte weitgehend liberalisiert worden.

Der Endverbraucherpreis sei allein durch Steuern und Abgaben drastisch gestiegen. Nach Angaben des Verbandes machen diese Belastungen 40 Prozent der Stromrechnung eines Haushalts aus. Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) sagte, es sei scheinheilig, wenn die Regierung "nach der Methode ,Haltet den Dieb' Entwicklungen beklagt, die sie selbst mit verursacht und selbst gewollt hat".

Auch der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz machte vor allem Rot-Grün für die Preiserhöhungen verantwortlich. Seit dem Regierungswechsel 1998 seien die Belastungen durch "politisch gewollte" Steuern und Abgaben von 2,5 Milliarden auf mehr als zwölf Milliarden Euro gestiegen. Merz sagte aber auch, die angekündigten Preissteigerungen hätten "einen Beigeschmack" von monopolistischem Gebaren.

"In dem Rahmen, den uns die Regierung gegeben hat, bewegen wir uns marktkonform", sagte ein Sprecher des Stromkonzerns Vattenfall Europe. Wie andere große Energieversorger auch will sich Vattenfall vor dem Energiegipfel nicht äußern: "Was wir der Regierung zu sagen haben, sagen wir ihr lieber dort", sagte der Sprecher. Unterdessen hat sich der Bundesverband der Verbraucherzentralen darüber beschwert, dass er offenbar nicht zu dem Treffen eingeladen werden soll.

"Die Bundesregierung will noch immer nicht begreifen, dass Energiepolitik auch für die Verbraucher gemacht wird", sagte die Vorsitzende des Verbraucherverbandes, Edda Müller. Die privaten Haushalte seien am stärksten von der fehlenden Regulierung betroffen.

Streit um Regulierung

Forderungen nach einer schärferen Regulierung als bisher vorgesehen wies Clement zurück. Verbraucherschützer und vor allem Länderpolitiker treten für eine Stärkung der Regulierungsbehörde ein, die von der ersten Jahreshälfte 2005 an die Strom- und Gasmärkte kontrollieren soll. Insbesondere verlangen sie, dass die Unternehmen sich ihre Tarife vorab genehmigen lassen müssen.

Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates stimmte am Donnerstag zwei entsprechenden Länder-Anträgen zu. "Rot-Grün sollte den Änderungsvorschlägen des Bundesrates rasch zustimmen, um den Energieunternehmen möglichst bald eine effektive Regulierungsbehörde und nicht nur einen Papiertiger gegenüberzustellen", sagte der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU).

Clement hält Vorabgenehmigungen für kaum durchführbar und zu bürokratisch.Innerhalb der Energiebranche ist die Haltung dazu nicht mehr einheitlich. Der Karlsruher Konzern EnBW setzt sich ebenfalls für schärfere Kontrollen ein.

© SZ vom 10.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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