Schadstoffe:Gefahr hautnah

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Mineralöle im Lippenbalsam, in Hautcremes, im Make-up: Verbraucherschützer haben in vielen Kosmetika gefährliche Stoffe ausgemacht. Einige davon gelten als krebserregend.

Von Christopher Schrader

Wenn sie in der Raffinerie mit den Treibstoffen für die glänzenden Autos fertig sind, kümmern sie sich um die Schönheit der Fahrer. Neben Benzin und Diesel entstehen aus Erdöl auch Vaseline und Paraffinöl, die in der Kosmetikindustrie verwendet werden. Gesichtscremes, Sonnenmilch, Make-up, Zahnhaftcreme und Babyöl enthalten, legal und offen deklariert, Rohstoffe aus Mineralöl. Gleich zwei Testreihen in Labors zeigen jetzt, dass die Zutaten nicht so rein sind wie möglich und nicht so gesundheitlich unbedenklich wie gewünscht. Selbst eine krebserregende Wirkung lässt sich nicht ausschließen; akute Gefahr besteht aber offenbar nicht. Sowohl die Stiftung Warentest als auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin spüren in den Kosmetika aromatischen Kohlenwasserstoffen nach. Dabei handelt es sich oft um stark duftende Verbindungen; wegen der Herkunft aus Mineralöl hat sich die Abkürzung MOAH durchgesetzt. In der Zutatenliste stehen die Mineralöl-Rohstoffe, aus denen die umstrittenen Chemikalien stammen, als Cera Microcristallina, Ozokerite, Petrolatum oder Paraffinum Liquidum.

Hinter MOAH verbirgt sich eine verwirrend große Zahl von Chemikalien, von denen einige als potenziell krebserregend gelten. "Sie haben in Kosmetika nichts zu suchen", stellen die Warentester fest. Sie haben in ihrer Stichprobe von 25 Produkten aber etliche gefunden, die zu drei, sieben oder gar neun Prozent aus MOAH bestanden. Das betraf Haarwachs, Melkfett und Vaseline. Trotz etwas geringerer Messwerte rät die Stiftung besonders von Lippenpflege auf Mineralölbasis ab, von der immer etwas in den Mund gerät.

In den BfR-Labors, die 21 Produkte getestet haben, war fünf Prozent der höchste MOAH-Gehalt. Das finden die Prüfer nicht in Ordnung; bei Produkten nach der EU-Kosmetikverordnung müsse "ein kanzerogenes Potential ausgeschlossen werden", schreibt das BfR in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. "Es gibt derzeit keine Hinweise auf gesundheitliche Effekte inklusive Krebs", aber wegen der großen Lücken in den Daten "gewisse Unsicherheiten bzw. Bedenken".

Der Herstellerverband Körperpflege- und Waschmittel zeigte sich überrascht: Man könne die Kritik der Stiftung Warentest nicht nachvollziehen. Alle gesetzlichen Anforderungen würden erfüllt. Die MOAH-Mengen, die in den Produkten trotz der Reinigung der Mineralöle enthalten sein könnten, seien unbedenklich. Die Warentester sind nach Kontakt mit einzelnen Herstellern jedoch überzeugt, dass die Firmen nicht die richtigen Testverfahren nutzen, um MOAH in Rohstoffen zu finden und zu eliminieren. Diese Methoden sind verfeinert worden, seit die Chemikalien auch in Lebensmitteln nachgewiesen wurden. Oft gingen sie von Kartons aus Recyclingpapier auf den Inhalt über. Auch bei Kosmetika lassen sie sich reduzieren: Laut BfR gibt es auf dem Markt Paraffinöl, das nur 0,0007 Prozent MOAH enthält. Die Prüfer in Berlin mahnen darum, dass die Verunreinigungen "auf die nach dem Stand der Technik unvermeidbaren Spurengehalte reduziert werden".

© SZ vom 28.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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