Sarkozys Amtseinführung:Republikanische Krönungsmesse

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Frankreichs neuer Präsident Sarkozy wird an diesem Mittwoch die Amtsgeschäfte übernehmen. Die prunkvolle Einführungszeremonie erinnert an die Inthronisierung eines Königs.

Jan Fredriksson

"Das ist ein Staat!", soll ein staunender Willy Brandt gesagt haben, als er 1981 den Pomp und Prunk bei François Mitterrands Amtseinführung erlebte. An diesem Mittwoch erwartet das gleiche Protokoll auch Frankreichs neu gewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy.

Diese "weltliche Neuauflage des Thronfolgerituals besteht aus einer Abfolge symbolischer Akte, die für die Kontinuität im Staat stehen", erklärt der französische Historiker Serge Berstein.

Nun mag Sarkozy ein völlig unhöfischer Typ sein, doch den durchgeplanten Ritualen der Amtseinführung muss auch er sich bis ins Detail unterwerfen. Punkt elf Uhr fährt der neue Staatschef an diesem Mittwoch im Élyséepalast vor, schreitet im Ehrenhof eine Formation der Republikanischen Garde ab und wird auf den Treppen seines künftigen Amtssitzes vom Vorgänger empfangen.

Hier besteht eine der letzten Möglichkeiten des scheidenden Präsidenten zu einem persönlichem Akzent: Wird Chirac seinem Nachfolger entgegengehen oder oben warten und ihn allein die Stufen hinaufkommen lassen?

Der alte und der neue Präsident ziehen sich dann zu einem vertraulichen Gespräch zurück, in dem Nicolas Sarkozy das größte Amtsgeheimnis erfährt: Den Buchstaben- und Zahlencode zur Mobilisierung der französischen Atomwaffen, den er in den kommenden fünf Jahren stets bei sich tragen wird.

Staatsoberhaupt mit großer Macht

Der Code und der schwarze Aktenkoffer mit dem Mechanismus zur Einleitung der nuklearen Apokalypse könnte auch als Ersatz für Salbung, Krone und Reichsschwert gedeutet werden.

Gleich zu Beginn der Amtsübergabe wird somit deutlich, dass kein anderer Staatschef in Europa eine vergleichbare Macht hat: Sarkozy wird nicht nur Oberbefehlshaber einer Atomstreitmacht sein, sondern auch befugt, den Regierungschef zu ernennen und zu entlassen, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzuordnen.

Nach dem Gespräch mit seinem Vorgänger treten die beiden gemeinsam ins Freie. Chirac fährt davon, Sarkozy geht zurück in seinen neuen Amtssitz. Dort spielt das Kammerorchester der Nationalgarde einen feierlichen Marsch. Im Anschluss trifft Sarkozy den Präsidenten des Verfassungsrates, der ihm das Wahlergebnis vorliest. Schließlich unterschreibt das neue Staatsoberhaupt das Protokoll der Amtsübergabe.

Einen Amtseid muss Sarkozy übrigens nicht schwören. Das mag hierzulande seltsam, wenn nicht suspekt erscheinen. Doch entspricht es dem französischen Demokratieverständnis, dass allein die Entscheidung des Volkes den Präsidenten einsetzt, erklärt der Politologe Henrik Uterwedde, stellvertretender Leiter des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg.

Deshalb sei wohl keiner auf die Idee gekommen, der Präsident müsse nun auch noch einen Eid schwören: "Le peuple souverain tranchera", sage man in Frankreich - "das souveräne Volk wird schon eingreifen", falls der von ihm gewählte Staatschef einmal seine Kompetenzen überschätzt. Bei zwei Jahrhunderten republikanischer Tradition verstehe sich von selbst, dass er Garant der Verfassung zu sein hat, sagt Uterwedde.

Anschließend empfängt der neue Präsident den General Jean-Pierre Kelche, der ihn als Großkanzler der Ehrenlegion mit dem höchsten Orden der Republik, dem Großkreuz der Ehrenlegion, auszeichnet. "Die Franzosen haben den Insignien einer Monarchie ein republikanisches Gewand gegeben", erklärt Uterwegge.

Das gilt auch für die 21 Kanonenschüsse, die verkünden, dass die Amtszeit des neuen Präsidenten begonnen hat. Zeit für Sarkozys erste Amtshandlung: Im Schutz einer Motorradeskorte fährt er die Champs-Élysées hinauf zum Triumphbogen, um am Grabmal des Unbekannten Soldaten die Ewige Flamme zu entzünden und einen Kranz niederzulegen.

Die Zeremonie ist nun zu Ende und die Arbeit beginnt mit einem persönlichen Akzent: Sein erstes Abendessen als Präsident wird Sarkozy in Berlin einnehmen, wo er Bundeskanzlerin Angela Merkel noch am selben Abend treffen wird.

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