Geht es nach den Wünschen der meisten Iraker, wird das Verfahren gegen Saddam Hussein nach der Devise ablaufen: Erst machen wir ihm einen fairen Prozess - und dann hängen wir ihn auf. Auch die irakische Übergangsregierung befürwortet einen solchen Verlauf. Kaum an der Macht, hat sie den Tod durch den Strang wieder eingeführt, eine Strafe, die von den Besatzern suspendiert worden war.
Den Verteidigern wird es da schwer fallen, das Leben ihres Mandanten zu retten. Umso mehr werden sich die Rechtsanwälte darauf konzentrieren, die These vom fairen Prozess zu erschüttern. Schon ist vom Marionettengericht und von Siegerjustiz die Rede.
Gerichtsdirektor in USA ausgebildet
Tatsächlich ist der Einfluss der Amerikaner auf das Gericht erheblich. Schließlich hatten die USA den Regierenden Rat in Bagdad kreiert, der vergangenen Herbst das Sondertribunal schuf und die Richter ernannte. Salam Tschalabi, der Gerichtsdirektor, wurde in den USA ausgebildet und soll gute Kontakte nach Israel haben - was ihn den Irakern nicht unbedingt sympathisch macht. Amerikanische Juristen und Kriminalisten haben die 50 irakischen Richter, Untersuchungsrichter und Staatsanwälte des Sondertribunals mit geschult und helfen beim Entwurf der Anklagestrategie.
Laut New York Times werden die Ermittlungen vom FBI und einer Einheit des US-Justizministeriums geführt. Und Saddam wird trotz förmlicher Übergabe an die Iraker von Amerikanern bewacht. Beim Prozess selbst sollen die irakischen Juristen von ausländischen Experten unterstützt werden - viele von ihnen dürften US-Bürger sein.
Washington und Bagdad werden deshalb erhebliche Probleme haben, die Iraker von der Unabhängigkeit des Gerichts zu überzeugen. Immerhin soll es sich bei den - anonymen - irakischen Richtern um erfahrene, seriöse Fachleute handeln. Etwa 15von ihnen waren zum Erfahrungsaustausch beim Jugoslawien-Tribunal in Den Haag und haben dort einen guten Eindruck hinterlassen. "Das waren alles sehr solide, gestandene Juristen", heißt es in Den Haag. "Richtige Persönlichkeiten. Und außerdem sehr mutige Leute."
Mischung aus Völkerrecht und irakischem Strafrecht
In erster Instanz wird eine Kammer aus fünf Richtern über Saddam und andere Regimegrößen urteilen. In der Berufung entscheiden neun Richter. Das Tribunal soll Taten wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ahnden, die im Zeitraum zwischen dem Putsch von Saddams Baath-Partei 1968 bis zum Sturz des Diktators im vergangenen Jahr begangen wurden. Das Tribunal wird dabei eine Mischung aus Völkerstrafrecht und irakischem Strafrecht anwenden.
Das international geächtete Verbrechen des Angriffskrieges fällt interessanterweise nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs. Stattdessen soll er gemäß irakischem Recht nur Übergriffe auf arabische Bruderstaaten wie Kuwait bestrafen. Beim Überfall gegen Iran 1980, bei dem die USA Saddam unterstützten, wird daher nicht der Angriffskrieg als solcher geahndet - verhandelt werden nur einzelne Kriegsverbrechen.
Nach der ersten Anhörung Saddams wird das Tribunal nun an der formalen Anklage arbeiten und hierzu Tonnen von Akten sichten. Wegen der miserablen Sicherheitslage ist die Beweiserhebung etwa bei Massengräbern schwierig und gefährlich. Mit einem Prozessbeginn wird frühestens nächstes Jahr gerechnet. Die USA hoffen, dass das Verfahren den Irakern all die Gräueltaten des Regimes vor Augen führt, und so den Einmarsch doch noch rechtfertigt. Manche fürchten jedoch, Saddam könnte vor Gericht in die Propaganda-Offensive gehen - so wie er es am Donnerstag bereits versuchte.