Russland:Putin will Ex-Steuerfahnder als Regierungschef

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Knapp eine Woche nach der Entlassung der Regierung hat der russische Präsident überraschend den Vertreter bei der EU, Michail Fradkow, als neuen Regierungschef vorgeschlagen. Die Zustimmung der Duma gilt als sicher.

Der künftige Ministerpräsident müsse beruflich "ehrlich" sein und über "gute Arbeitserfahrungen in verschiedenen staatlichen Sektoren" verfügen, begründete Putin laut Nachrichtenagentur Interfax die Nominierung Fradkows während Beratungen mit Politikern der ihm nahe stehenden Partei "Einiges Russland".

Die Nominierung Fradkows, der bereits dem bisherigen Kabinett im Ministerrang angehörte, muss noch vom russischen Parlament, der Duma, bestätigt werden. Man werde am kommenden Freitag über Fradkow abstimmen, kündigte Parlamentspräsident Boris Gryslow an.

Die Kreml-Partei Geeintes Russland, die in der Staatsduma (Parlament) über eine Zwei-Drittelmehrheit verfügt, billigte den Vorschlag in ersten Reaktionen.

Der 53-jährige Fradkow war früher bereits Außenhandelsminister, Handelminister und zuletzt Chef der Steuerpolizei. Zudem war er Generaldirektor des Versicherungskonzerns Ingostrach.

Ein "guter Verwalter"

Fradkow sei ein "guter Verwalter", der durch seine Arbeit in der Steuerpolizei auch Einblicke in den Sicherheitsapparats gehabt habe, sagte Putin. "Das ist eine wichtige Erfahrung im Kampf gegen die Korruption".

Fradkow zählte in der russischen Öffentlichkeit nicht zu den Kandidaten für die Nachfolge des in der Vorwoche entlassenen Regierungschefs Michail Kasjanow.

Putin hatte am Dienstag vergangener Woche überraschend das Kabinett von Ministerpräsident Michail Kasjanow entlassen. Die Entlassung Kasjanows, eines Vertrauten des früheren Präsidenten Boris Jelzin und dessen Clan aus einflussreichen Geschäftsleuten, stärkt nach Meinung von Beobachtern die Stellung Putins.

Dessen Wiederwahl bei der Präsidentschaftswahl am 14. März gilt als nahezu sicher. Kasjanow wurde vorübergehend durch seinen bisherigen Stellvertreter Viktor Christenko ersetzt.

Hoffen auf mehr Verständnis für die EU

In der EU-Kommission hofft man nach der Ernennung eines neuen russischen Ministerpräsidenten auf mehr Verständnis in Moskau für die europäischen Belange. Das sagte ein Sprecher der EU- Kommission am Montag zur Nominierung des bisherigen russischen EU- Botschafters Michail Fradkow als Regierungschef.

Fradkow hat nach diesen Angaben EU-Kommissionspräsident Romano Prodi telefonisch selbst über seinen Ruf nach Moskau informiert.

"Wir hoffen, dass das die Beziehungen erleichtert und das Verständnis innerhalb der russischen Regierung für die EU verstärkt", sagte Kommissionssprecher Reijo Kemppinen. Die Ernennung Fradkows zeige auch, welche Bedeutung Präsident Wladimir Putin der EU beimesse.

Zwischen Russland und der EU gibt es derzeit schwierige Probleme. Moskau erkennt nicht an, dass das gemeinsame Partnerschaftschafts- und Kooperationsabkommen nach der EU-Erweiterung automatisch auf die neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt wird. Stattdessen verlangt Russland bilaterale Verhandlungen mit jedem einzelnen dieser Staaten über das Abkommen, das vor allem die Handelsbeziehungen regelt.

(AFP/dpa)

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