Russland:Putin baut seine Machtbasis aus

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Bei der Parlamentswahl kann das Lager des Präsidenten mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit rechnen. Westliche Beobachter bezeichneten die Wahl als "frei, aber nicht fair".

(SZ vom 9.12.2003) - Die russische Parlamentswahl hat die Machtbasis von Präsident Wladimir Putin erheblich gestärkt. Sein Lager errang möglicherweise eine für Verfassungsänderungen nötige Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Kreml-Partei "Einiges Russland" gewann die Wahl und kam nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen auf 37,1 Prozent.

Die Kommunisten, 1999 noch stärkste Kraft, stürzten auf 12,7 Prozent ab. Die liberalen Parteien Jabloko und Union der rechten Kräfte scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde. Westliche Beobachter kritisierten die Wahl als "Rückschritt bei der Demokratisierung des Landes".

"Frei, aber nicht fair" sei die Wahl gewesen, sagte David Atkinson, Leiter der Beobachtermission des Europarates, in Moskau. Die westlichen Beobachter bemängelten vor allem den "massiven Einsatz staatlicher Ressourcen" für die Partei Einiges Russland.

Der russischen Führung habe es nicht an Möglichkeiten, aber am Willen gefehlt, eine Wahl nach europäischen Maßstäben zu organisieren, erklärte der britische Abgeordnete Bruce George als Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Die Vorwahl-Berichterstattung der staatlich kontrollierten Fernsehsender und Zeitungen habe andere Parteien benachteiligt, sagte die frühere Bundestagspräsidenten Rita Süssmuth (CDU). Sie leitete die Arbeit von etwa 500 OSZE-Beobachtern. Bei künftigen Wahlen müsse Russland deutliche Fortschritte machen, betonte Süssmuth.

Beobachter aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) hatten dagegen keine Beanstandungen. Putin sprach von einer "Festigung der Demokratie in Russland". Die Abstimmung galt als Hinweis auf den Ausgang der Präsidentenwahl am 14. März nächsten Jahres, bei der die Wiederwahl Putins als sicher gilt. Bei einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Anhänger des Präsidenten bei der Parlamentswahl könnten sie die Verfassung ändern und so eine dritte Amtsperiode des Präsidenten ermöglichen.

Fünf Prozent "gegen alle"

Der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow warnte vor der Übermacht einer einzelnen Partei. Er würde es lieber sehen, wenn "das ganze Spektrum in der Duma vertreten" wäre, zitierte Interfax Gorbatschow. Ein "einseitiges Parlament" könne zu "großen Fehlern" führen. "Zustände wie im Sowjetkommunismus müssen verhindert werden", sagte Gorbatschow.

Überraschend stark schnitt nach Angaben der zentralen Wahlkommission die rechtspopulistische Liberal-demokratische Partei LDPR von Wladimir Schirinowskij mit 11,6 Prozent ab. Die neugegründete Partei Rodina (Bündnis Heimat), eine Abspaltung von den Kommunisten, zog auf Anhieb mit 9,1 Prozent in die Duma ein. Die drei Parteien, die Putin unterstützen, lagen mit zusammen knapp 300 Mandaten dicht an der Zwei-Drittel-Mehrheit der 450 Abgeordneten.

Die Kommunisten, die vor vier Jahren mit 23,32 Prozent noch stärkste Partei gewesen waren, errangen den vorläufigen Ergebnissen zufolge nur noch 53 Mandate. Der KP-Vorsitzende Gennadij Sjuganow sprach von Verfälschungen des Ergebnisses.

Die Kommunisten nahmen parallel zur offiziellen eine eigene Auszählung vor. Danach erreichte Einiges Russland mit 32,2Prozent ein deutlich schlechteres Ergebnis. Die KP käme nach dieser Auszählung auf 14,1, die LDPR auf 13 und Bündnis Heimat auf 9,5 Prozent. Jabloko würde nach dem Ergebnis der Kommunisten mit 5,4 Prozent sogar ins Parlament einziehen.

Die westlich orientierten Parteien Jabloko und Union der rechten Kräfte (SPS) hatten vor allem gegeneinander Wahlkampf geführt und scheiterten den offiziellen Angaben zufolge an der Fünf-Prozent-Hürde. Sie zogen nur mit jeweils drei direkt gewählten Abgeordneten in das Parlament ein. Die linke Volkspartei brachte 19 Deputierte direkt in die Duma. Insgesamt hatten sich 23 Parteien und Parteienbündnisse beworben.

"Die Wahlbeteiligung hätte höher sein können", sagte Putin bei einer Regierungssitzung. Nur 51,77 Prozent der wahlberechtigten 110 Millionen Russen hatten teilgenommen, zehn Prozentpunkte weniger als vor vier Jahren. Knapp fünf Prozent der Wähler nutzten eine Besonderheit des russischen Wahlrechts und stimmten "gegen alle".

Gleichzeitig mit der Dumawahl wählten die Russen in vielen Regionen die Gouverneure und die Regionalparlamente neu. In Moskau wurde Bürgermeister Jurij Luschkow mit 75 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.

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