Rüttgers auf dem DGB-Sozialstaatskongress:Robin Hood für enttäuschte Sozis

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Der NRW-Ministerpräsident liefert sich im Auswärtsspiel ein Rededuell mit Ex-SPD-Chef Platzeck - und geht als eindeutiger Sieger vom Platz. Wie willig die Gewerkschafter lieber einem CDU-Mann folgen.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Mit der Politik ist es manchmal wie im Fußball: Applaus bekommen ist wie Tore schießen. Und Auswärtstore zählen doppelt.

So gesehen ist Jürgen Rüttgers, der CDU-Ministerpräsident aus dem SPD-Stammland Nordrhein-Westfalen, als klarer Sieger vom Platz gegangen. Sein Gegner an diesem Morgen: Matthias Platzeck, Ex-SPD-Vorsitzender und Ministerpräsident von Brandenburg. Der hatte auf dem Papier Heimvorteil: Europäischer Sozialstaatskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin.

Rüttgers gilt den Gewerkschaftern inzwischen als Robin Hood vom Rhein. Als einer, der selbstlos, für das Soziale eintritt. Platzeck warf ihm süffisant vor, in Wirklichkeit für den rheinischen Kapitalismus einzutreten. Er hatte offenbar die Hoffnung, damit punkten zu können.

Nichts da. Rüttgers nahm den Ball auf. "Bei aller Freundschaft, Herr Platzeck", dribbelte er in den Strafraum. Dann zog er ab: "Sie haben den rheinischen Kapitalismus offenbar nicht so richtig verstanden." Tor. Applaus im Großen Saal des Maritim Hotels.

Rüttgers trat nach: Rheinischer Kapitalismus meine nichts anderes als Soziale Marktwirtschaft. Die sei das Zukunftsmodell für das 21. Jahrhundert. Er sei nicht bereit, darauf zu verzichten. "Das war ein Pappkamerad, den sie das aufgebaut haben, Herr Platzeck." 2:0.

Platzeck, das muss ihm zugute gehalten werden, hat es sich nicht leicht gemacht vor den Genossen. Er hätte auch einfach schön spielen können. Hätte sagen können, dass Hartz IV abgeschafft werden muss und ansonsten gerne alles beim alten bleiben dürfe. Dann hätte er das Match wohl gewonnen.

"Nostalgie ist kein guter Ratgeber"

Aber Platzeck versuchte es mit einem ehrlichen Spiel. Der nachsorgende Sozialstaat bismarckscher Prägung sein ein "konservatives Modell". Er werde den Anforderungen einer globalisierten Welt nicht gerecht. An dessen Stelle müsse der vorsorgende Sozialstaat treten.

Und dann sagte er all die Worte und Sätze, die heutigen Gewerkschaftern die Nackenhaare hochgehen lassen: dass die Selbstverantwortung gestärkt werden müsse, dass die Nostalgie das Herz wärme, aber kein guter Ratgeber sei, dass nicht die Höhe der Transferleistungen das Maß sei, sondern ob sie den Menschen ein glücklicheres Leben leben ließen.

Rüttgers dagegen umwarb die Seelen der Gewerkschafter, als wolle er DGB-Chef werden. Seine zentrale These: Auch unter den veränderten Bedingungen sei das System der sozialen Marktwirtschaft das Modell der Zukunft.

Aufgabe der sozialen Marktwirtschaft sei dabei, den Menschen verlässliche Rahmen zu geben zu geben. "Es ist schlichtweg unsinnig zu glauben, man könnte das Land verändern, ohne ihnen die notwendige Sicherheit zu geben", sagte Rüttgers. Das hören die Gewerkschafter gerne.

Nicht gesagt hat Rüttgers, mit welchen Mitteln er diese Sicherheit erhalten und finanzieren will. Aber dafür waren sich die Genossen im Saal wohl zu einig, dass Rüttgers Recht hat. Zumindest dem Beifall nach zu urteilen. Tor, Applaus, Spiel gewonnen.

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