Rückführungen:Bund lehnt Abschiebestopp ab

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Der 25-jährige Naim Muradi wurde mit 17 anderen, zumeist jungen Männern mit einem Sammelflug im Februar aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben. (Foto: Mohammad Jawad/dpa)

Die Regierung findet: Afghanistan ist teilweise sicher. Die Position verschärft den Streit um die Flüchtlingspolitik.

Von Stefan Braun, Berlin

Der Streit zwischen der Bundesregierung und den rot-grün regierten Bundesländern über einen Abschiebestopp nach Afghanistan geht in die nächste Runde. Anders als von zahlreichen grünen Landespolitikern erhofft, wird die Bundesregierung ihre Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan nicht ändern. Das haben das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt in einem gemeinsamen Schreiben an die sechzehn Landesregierungen deutlich gemacht. Der Schritt hat das Potenzial, den Streit über die Flüchtlingspolitik massiv zu verschärfen - zumal auch der Konflikt um die Einordnung Algeriens, Tunesiens und Marokkos als sichere Herkunftsländer wieder eskalieren dürfte. Auf Betreiben Bayerns wird darüber am 10. März im Bundesrat abgestimmt.

Emily Haber, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, und Walter Lindner, ihr Pendant im Auswärtigen Amt, verweisen in ihrem Brief vom 24. Februar 2017 darauf, dass 2016 knapp 130 000 Afghanen in Deutschland um Asyl gebeten hätten. Damit liege das Land als Herkunftsland inzwischen an zweiter Stelle. Die Anerkennungsquote liege bei knapp 56 Prozent und damit deutlich über dem EU-Durchschnitt. Dort beträgt sie 32 Prozent.

Der Hinweis soll offenkundig als Beleg dafür gelten, dass Deutschland keineswegs nur rigide mit Afghanen umgehe. "Deutschland kommt seinen Verpflichtungen nach", schreiben die beiden. Dazu gehöre aber auch, dass alle, die im Verfahren abgelehnt wurden und das auch auf dem Gerichtswege bestätigt bekommen hätten, das Land grundsätzlich wieder verlassen müssten. Im Einzelfall seien also auch Abschiebungen möglich, das hätten auch die Gerichte bestätigt. Im Übrigen mache Deutschland davon "behutsam" Gebrauch und beschränke sich "bis jetzt auf alleinstehende Männer". 67 seien es im vergangenen Jahr gewesen.

Berlin bleibt hart. Die Grünen, die in Ländern mitregieren, ärgert das. Doch einig sind sie sich nicht

Mit Blick auf die Sicherheitslage schreiben Haber und Lindner, diese habe sich seit 2016 nicht wesentlich verändert. Die Zahl der Verletzten sei leicht gestiegen, die der Todesfälle leicht gesunken. Die Statistik sei dabei besonders geprägt von den schweren Kämpfen im Süden; im Nordosten und Osten sei die Zahl der Opfer dagegen gesunken. Aus diesem Grund habe sich an der Einschätzung der Sicherheitslage nichts geändert: Sie bleibe "volatil" und sei "regional unterschiedlich". Aber: "Es gibt Regionen, in denen die Lage ausreichend kontrollierbar und für den einzelnen vergleichsweise ruhig und stabil ist."

So entschlossen der Brief verfasst ist, so groß ist in weiten Teilen der grünen Partei der Ärger. In einigen grün-mitregierten Ländern hieß es am Mittwoch als Reaktion auf die gefährliche Lage, das könne "doch wohl nicht alles sein". Allerdings ist nicht sicher, dass dies alle Landesregierungen so sehen, in denen Grüne mitregieren. Baden-Württemberg, aber auch andere Länder könnten den Brief nutzen, um sich wieder an Abschiebungen zu beteiligen.

Damit droht ein zuletzt einigermaßen beruhigter interner Konflikt bei den Grünen über den Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern wieder aufzubrechen. Er war zu Jahresanfang offen zutage getreten, als die Länder sich bemüht hatten, eine einheitliche Linie zu finden. Durch unterschiedliche Interpretationen der Einigung wirkten sie am Ende nicht geeint, sondern zerstritten. Ähnliches droht ihnen Ende nächster Woche. Dann wird im Bundesrat die Frage aufgerufen, ob Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Bei einer Probeabstimmung am 9. Februar hatten neun grüne Länder das abgelehnt, Baden-Württemberg hatte es befürwortet und Hessen sich noch nicht entschieden. Doch selbst wenn es nun zustimmt, würde das der großen Koalition wenig helfen. Im Bundesrat hätte sie dann 28 Stimmen, für eine Durchsetzung der Idee bräuchte sie 35.

Ein Scheitern freilich könnte auf die Grünen zurückfallen. Jedenfalls befürchten das Kritiker der Idee sicherer Herkunftsländer wie der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck. Er schrieb auf seiner Internetseite, man müsse damit rechnen, dass Hardliner wie die CSU die Grünen dann als Sicherheitsrisiko geißeln könnten. Der Vorwurf sei zwar infam, auf ihn einstellen müssten sich die Grünen trotzdem.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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