Rudy Giuliani im US-Wahlkampf:Zu links für die Gottesfürchtigen

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Laut Umfragen ist er der Favorit - doch bei der religiösen Rechten fällt Rudy Giuliani als Präsidentschaftskandidat durch.

Von Christian Wernicke

Rudolph Giuliani ahnt, dass er nicht wirklich eine Chance hat. Nicht hier, im Halbdunkel dieses bunkerartigen Washingtoner Hotelkellers, nicht bei diesen mehr als 2000 gottesfürchtigen Landsleuten, die ihm jetzt - mit sehr weißem Antlitz und zumeist sehr finsterer Miene - gegenübersitzen.

Rudy Giuliani - keine Chance bei den Value Voters? (Foto: Foto: AP)

Es sind Männer wie Corky Hawthorne, der fröhliche Anwalt im karierten Sakko aus dem Süden Alabamas. Oder Frauen wie Kisa Caldwell, die adrette Lobbyistin aus Kalifornien, die draußen vor der Tür soeben noch Handzettel für sexuelle Abstinenz und Keuschheit vor der Ehe verteilt hat.

Sie nennen sich "Value Voters", was jedermann bedeuten soll, dass sie alles Weltliche in Treue fest zu ihren christlichen Werten sortieren und auch hier, tief unter der Erde, allein den himmlischen Geboten gehorchen. "Du sollst nicht töten", prangt auf dem T-Shirt eines beleibten Baptisten in der zehnten Reihe.

Ketzer und Ehebrecher

Dieses Bibelwort macht Giuliani zu schaffen. Weil der Kandidat, laut Umfragen klarer Favorit für die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2008, sich weigert, ein striktes Abtreibungsverbot zu propagieren, gilt er Amerikas religiöser Rechten als Ketzer. Und obendrein als Ehebrecher, da er mittlerweile mit der dritten Frau vermählt ist.

Also tritt Giuliani als Sünder vor die politische Gemeinde: "Sie und ich wissen, dass ich kein perfekter Mensch bin", flüstert Giuliani ins Mikrophon, "ich bete um Vergebung."

Die Reue scheint zu verfangen im Halbrund, der Büßer erntet Beifall. Sogar, da er jetzt "Meinungsverschiedenheiten" einräumt und versichert, es sei allein der andere Weg, nicht das gemeinsame Ziel ("ein Land ohne Abtreibungen"), das ihn von der Parteibasis trenne.

Nervös tastet sich Giuliani voran, hin zu der entscheidenden Verheißung in seinem Skript: mehr Adoptionen, weniger Schwangerschaftsabbrüche. Doch verflucht, ausgerechnet hier verhaspelt er sich: "Ich will die Adoptionen verringern und . . ."

Der Kandidat stutzt, während im Saal befreites Gelächter ausbricht. Es ist alles gesagt.

Und so kommt, was kommen musste: Mit mageren 1,8 Prozent der Stimmen straft die evangelikale Rechte den Aspiranten ab. Platz acht unter neun Kandidaten, das schmerzt wie eine Geißel. Sicher, das Votum der "Value Voters" ist verzerrt.

Lieber noch Giuliani als einen Mormonen"

Es genügte eine Spende von nur einem Dollar, um per Internet von allerorten gegen New Yorks Ex-Bürgermeister zu stimmen. Und die republikanische Konkurrenz, zumal Giulianis ärgster Verfolger Mitt Romney, hatte die eigenen Anhänger aufgerufen, per Mausklick ein Zeichen zu setzen.

Auch Romney, der sich am Sonntag mit 27,6 Prozent als Sieger feiern lässt, bleibt vielen im Saal suspekt: Der Ex-Gouverneur von Massachusetts konvertierte erst vor wenigen Jahren zum feurigen Gegner von Abtreibung und Schwulenehe - Romney konnte nur jeden Zehnten für sich gewinnen.

"Mein Gott, der Kerl ist Mormone", schimpft Corky Hawthorne, der Christ aus Alabama, "das ist ein Kult." Nein, da könne er "eher für einen Juden stimmen". Oder sogar für Giuliani.

So ähnlich fühlen viele, jedenfalls in den Südstaaten der USA. Hawthorne hat nicht nur sein Glaube nach Washington getrieben, der Anwalt ist beruflich vor Ort. Einige seiner Klienten seien eifrige Spender für christliche Politgruppen, erzählt er.

Alles, nur nicht Hillary

Und die hätten ihn "als Beobachter" entsandt, um die Veranstalter hinter den Kulissen von anderem Teufelszeug abzubringen: "Manche hier sind so frustriert, dass sie eine dritte Partei gründen wollen." Diesen Wahnsinn, der nur den Republikanern das Wasser abgrabe, wolle er stoppen, denn: "Dann kriegen wir am Ende Hillary als Präsidentin."

Diese Einsicht scheint übers Wochenende gewachsen zu sein. Tony Perkins, der Chef des militanten Family Research Councils, drohte zwar am Samstag erneut mit der dritten Partei "als letzter Option", um die Republikaner auf einen strikten Anti-Abtreibungskurs einzuschwören.

Die Zeiten, da sich rechte Christen als willfährige Wahlhelfer der Grand Old Party einspannen ließen, seien vorbei: "Es gibt keine blinde Treue mehr."

Nur, zugleich treiben die Umfragen über die Stimmung bei den Demokraten fast allen Evangelikalen den Angstschweiß auf die Stirn: Um deren Favoritin Hillary Clinton zu stoppen, würden viele am Ende wohl doch gequält "das geringere Übel" namens Giuliani hinnehmen.

Draußen in der Lobby, wo ein Veteran eifrig Polit-Buttons feilbietet, ist der Anstecker mit dem Bild der Demokratin bereits der Renner: "Anything but Hillary" steht da. Viele kaufen im Doppelpack, zwei Stück für fünf Dollar.

Und drinnen im Saal erleben die "Value Voters" doch noch ihren Gottesdienst. Denn da spricht Mike Huckabee, ein Außenseiter zwar unter den Kandidaten, aber eben ein gelernter Prediger.

Huckabee erzählt von David und Goliath. Und von Lazarus, der dank Jesus vom Totenbett auferstanden sei. Der Baptist wird am Ende zweiter im Rennen um die Gunst der Christen. Das macht ihnen Hoffnung auf Erden. Wenigstens unter sich, und für diesen einen Tag.

© SZ vom 22.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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