Zumindest die römischen Schulkinder dürfen sich über die Ankunft von George W. Bush freuen: Wegen des Besuchs des US-Präsidenten beginnen ihre Sommerferien bereits diesen Samstag, einen Tag früher als geplant. Für Abertausende andere Römer bringt die von Freitagnacht bis Sonntagmorgen dauernde Visite Ungemach. Bis zu 250 Straßen und Plätze werden zeitweise geräumt, damit der Konvoi des Präsidenten mit seinen 42 gepanzerten Fahrzeugen gefahrlos durch die Stadt brausen kann. Hinzu kommen unzählige Demonstranten, die quer durch das historische Zentrum ziehen. Die Behörden müssen U-Bahn-Stationen und Märkte schließen, Busse umleiten, Müllcontainer und geparkte Autos entfernen und stundenweise den kompletten Flugverkehr stoppen. Rom geschlossene Stadt.
Die Zeitungen druckten Ratgeber für die Bürger, unter Titeln wie: ,,Überlebenshandbuch für den Bush-Besuch.'' Da wird empfohlen, keine verdächtig aussehenden Kapuzen-Pullover zu tragen und schon gar nicht von einer der vielen grünen Dachterrassen der Stadt herab mit Gegenständen nach unten zu deuten. Schließlich sind an allen neuralgischen Punkten Scharfschützen postiert. Sie halten Präzisionsgewehre in den Händen, ,,mit denen man aus 500 Meter Entfernung mitten durch eine Fünf-Cent-Münze schießen kann, und das bei jedem Wetter'', warnt ein Carabiniere.
Ernst wird es für die Sicherheitskräfte am Samstag, wenn Bushs Besuchsprogramm beginnt. Nach einem Gespräch mit Staatsoberhaupt Giorgio Napolitano wird der US-Präsident den Papst im Vatikan treffen. ,,Ich habe eines seiner Bücher gelesen und freue mich, wenn dieser gute, anständige, ehrenhafte Mann einige Gedanken mit mir teilt'', sagte der Baptist Bush. Mit BenediktXVI. verbindet ihn die wertkonservative Haltung in Fragen wie dem Lebensschutz. In Sachen Todesstrafe und US-Kriegspolitik aber herrscht Dissens zwischen Weißem Haus und Heiligem Stuhl. So will der Papst die Lage im Irak und das Leiden der Christen dort ansprechen.
,,Kleine Vereinte Nationen''
Am Mittag wollte Bush eigentlich im Stadtteil Trastevere den Sitz der katholischen Bewegung Sant'Egidio besuchen, um über Armut in der Dritten Welt, Aids und mehr Hilfe für Afrika zu diskutieren. Wegen Sicherheitsbedenken soll das Treffen mit der Laienbewegung nun aber in der US-Botschaft stattfinden. Die 1968 in Rom gegründete Gemeinschaft Sant'Egidio setzt sich in Dutzenden Staaten für die Ärmsten ein, in Italien etwa für illegal im Land lebende Einwanderer. Zugleich vermittelt sie in internationalen Konflikten. Als ihr größter Erfolg gilt die Beendigung des Bürgerkrieges in Mosambik. ,,Die kleinen Vereinten Nationen von Trastevere'', wird Sant'Egidio auch genannt.
Am Nachmittag, wenn die Demonstrationen beginnen, wird Bush von Premier Romano Prodi erwartet. Zwischen beiden Regierungschefs gibt es viel Missstimmung. Hierzu trugen die Erschießung eines italienischen Agenten durch US-Soldaten im Irak, der italienische Truppenabzug aus dem Land und die unterschiedliche Einschätzung sicherheitspolitischer Fragen bei. So kritisierte Außenminister Massimo D'Alema am Tag vor dem Bush-Besuch das Vorgehen der USA beim Aufbau eines Raketenschildes in Osteuropa. Prodi und D'Alema werden ihren Gast vor einem neuen Rüstungswettlauf mit Russland warnen. Bush will von den Italienern mehr Einsatz in Afghanistan fordern.
Mehr Sorgen als diese Gespräche bereitet Prodi, was draußen auf den Straßen passiert. Schließlich wollen mehrere Parteien seiner Koalition gegen Bush protestieren. Die Opposition unter Silvio Berlusconi wartet darauf, jeden Zwischenfall, und seien es Krawalle des Schwarzen Blocks, der vorgeblich anti-amerikanischen Regierung anzulasten. Daher wird Prodi aufatmen, wenn der US-Präsident am Sonntag wohlbehalten aus einem heilen Rom von dannen fliegt.