Rom:Knapper Wahlausgang wahrscheinlich

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Die Italiener haben noch bis Montag Nachmittag Zeit, sich zwischen Regierungschef Berlusconi und Herausforderer Prodi zu entscheiden. Berlusconi sprach von einer Schicksalsentscheidung.

Stefan Ulrich

Nach einem sehr polemisch geführten und von Beschimpfungen geprägten Wahlkampf hat in Italien am Sonntag die zweitägige Parlamentswahl begonnen. Mehr als 50 Millionen Bürger, unter ihnen drei Millionen Auslandsitaliener, waren aufgerufen, 630 neue Abgeordnete und 315 Senatoren zu bestimmen. Oppositionsführer Romano Prodi gab bereits am Vormittag in Bologna seine Stimme ab.

Er sprach von einem "wunderbaren Moment für die Demokratie". Regierungschef Silvio Berlusconi ging am Nachmittag an seinem Wohnsitz Mailand wählen und wurde dort prompt von einer Wahlhelferin gerügt, weil er seiner Mutter in aller Öffentlichkeit zur Wahl seiner Gruppierung Forza Italia riet. Die Wahllokale schließen am heutigen Montag um 15 Uhr. Unmittelbar danach soll die erste Prognose veröffentlicht werden.

Die Beteiligung verlief am Sonntag zunächst schleppend, bis 12 Uhr mittags waren an dem sonnigen Frühlingstag nur knapp 18 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen gegangen. Doch am Abend um 19 Uhr habe die Beteiligung dann bei 53,4 Prozent gelegen, teilte das Innenministerium mit. Vor fünf Jahren war sie um diese Zeit bei 60,1 Prozent, doch sind diese Zahlen nicht vergleichbar. 2001 wurde nur an einem Tag gewählt.

Es war zu chaotischen Szenen gekommen, weil viele Bürger erst kurz vor Schließung der Wahllokale zur Stimmabgabe erschienen und sich so riesige Schlangen bildeten. Die Lokale blieben deswegen zum Teil bis weit nach Mitternacht offen. Um ähnliche Szenen zu vermeiden, wurde die Wahl nun für zwei Tage angesetzt. In Italien besteht Wahlpflicht. Die Beteiligung ging jedoch in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zurück und lag 2001 noch bei 81 Prozent.

Beobachter erwarteten einen knappen Ausgang der Abstimmung. Da seit zwei Wochen keine Umfragen mehr veröffentlicht werden durften, waren Prognosen besonders schwierig. Während der vergangenen Monate hatte das linke Oppositionsbündnis unter dem ehemaligen italienischen Premier und EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi in den Erhebungen jedoch stets um etwa drei bis fünf Punkte vorne gelegen.

Berlusconi forderte Wahlbeobachter

Der Führer der bislang regierenden Rechtskoalition, Ministerpräsident Berlusconi, hatte deshalb einen äußerst aggressiven Wahlkampf geführt, um seine Anhängerschaft zu mobilisieren. Zuletzt hatte er sogar gefordert, Wahlbeobachter der UN einzusetzen, da die Linke womöglich die Wahl fälsche. Andererseits wurden auch aus dem Prodi-Lager Betrugsvorwürfe gegen die Regierung laut.

Berlusconi und Prodi hatten ihren Wahlkampf am Freitagabend in Neapel beziehungsweise Rom beendet. Der Premier behauptete dabei, das Land stehe vor einer Schicksalswahl wie 1948, als es darum ging, ob Italien christdemokratisch oder kommunistisch geführt werden sollte.

Prodi meinte dagegen, die Bürger hätten nach fünf Jahren Rechtsregierung nun die Möglichkeit, zu einem "heitereren Italien" zurückzukehren. Die Rechte unter Berlusconi hatte 2001 relativ klar gewonnen und seitdem mit einer großen Mehrheit regiert.

© SZ vom 10.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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