Reportage:Der Papst im Kreis seiner Ärzte

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Zwar soll der Heilige Vater das Schlimmste überstanden haben, doch im Vatikan ist die Angst spürbarer denn je.

Von Christiane Kohl

Es sind drei unscheinbare Fenster im zehnten Stock eines ebenso unscheinbaren Klinikbaus nordwestlich der römischen Innenstadt, die in den letzten Tagen das Interesse der Welt auf sich ziehen.

Zahllose Kameras sind auf die mit vergilbten Sonnenblenden geschützten Fensteröffnungen gerichtet: Dahinter liegt Papst Johannes Paul II. und kuriert eine unangenehme Grippe aus. Zwar scheint mittlerweile das Schlimmste überstanden zu sein, Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls sprach am Donnerstag von einer "Evolution" im Gesundungsprozess des Papstes. Doch die Angst, dass es so weit sein könnte, ist spürbarer denn je im Vatikan.

Stur wie immer

"Wir sind ganz ruhig", sagt ein Mitarbeiter des Osservatore Romano, der offiziellen Zeitung des Kirchenstaats. Aber natürlich werde täglich gebetet für den Papst. Auch in den anderen Büros, die sich hinter den Mauern der Vatikanstadt verbergen, geht die Arbeit weiter: "Wir tun, was uns aufgetragen wurde", sagt Kardinal James Francis Stafford, der in der römischen Kurie die päpstliche Behörde für Ablassfragen leitet.

Doch der Kardinal spricht auch von einer "Atmosphäre der Angst und des Schmerzes". Hoffentlich müsse der Heilige Vater nicht leiden, fügt Stafford besorgt hinzu: "Tod durch Ersticken", das sei doch etwas Furchtbares.

Die Krise war am Dienstagabend gekommen, als Johannes Paul sich in seiner Wohnung am Petersdom befand. Seit Tagen schwer erkältet, mit Husten und Fieber, bekam der 84-Jährige plötzlich Erstickungsanfälle. Daraufhin entschied sein Leibarzt Renato Buzzonetti, dass er umgehend ins Krankenhaus müsse. Erst widersprach der Papst - wie immer.

"Doch in seiner Umgebung kam plötzlich die Angst hoch, dass es so kommen könnte wie mit Johannes Paul I.", berichtet ein Vatikan-Mitarbeiter. Karol Wojtylas Vorgänger, der nur etwa vier Wochen als Heiliger Vater amtierte, hatte sich eines Abends schlecht gefühlt - am nächsten Morgen war er tot.

Und so raste kurz vor elf Uhr am Dienstagabend die vatikanische Ambulanz mit dem kranken Wojtyla zum Klinikum Agostino Gemelli, dem Krankenhaus der katholischen Herz-Jesu-Universität. Dort war bereits alles vorbereitet: Atemmaske, Kortison-Spritzen und andere Medikamente lagen bereit, mehrere Ärzte waren zur Stelle - irgendwann im Laufe der Nacht hatte das Mediziner-Team unter Führung des Anästhesisten Rodolfo Proietti die Situation dann unter Kontrolle.

Achter Klinikbesuch

Wie der 81-jährige Internist Buzzonetti, so behandelt auch Proietti, 59, den Papst schon seit Jahren. In der römischen Gemelli-Klinik lassen sich Staatsoberhäupter und andere bekannte Persönlichkeiten operieren.

Für den Papst aber wurde eigens ein Appartement eingerichtet, in dem er zusammen sein kann mit seinem Sekretär Erzbischof Stanislaw Dziwizs, einem weiteren Geistlichen und den Schwestern, die ihn tagtäglich betreuen. Wojtylas nächtliche Einweisung ist sein achter Besuch in der Klinik seit dem Tag des Attentats im Mai 1981, als er hier notoperiert wurde.

Im Juli 1992 operierten die Gemelli-Ärzte ihm einen Tumor aus dem Darm heraus, der die Größe einer Orange hatte. Nach offiziellen Angaben war er gutartig. In der Gemelli-Klinik wurde vor Jahren auch die Parkinson-Krankheit diagnostiziert, die dem Papst jetzt immer stärker zu schaffen macht.

"Herz wie ein Löwe!"

Auch für die nächsten Wochen war offenbar ein Eingriff geplant. So berichtete die römische Zeitung Il Messaggero jetzt von Überlegungen, dem Papst einen Bypass zu legen. Nach dem Bericht leidet Johannes Paul bereits seit Monaten an einer Schwächung der Herzkranzgefäße. Um eine mit größerem Blutverlust verbundene Bypass-Operation zu umgehen, habe man daher beschlossen, eine Ballon-Dilatation vorzunehmen.

Dabei wird eine Gefäßerweiterung vorgenommen mittels eines Herzkatheders, der in der Leistengegend in die Arterie eingeführt wird. Der Katheder ist mit einem Ballon ausgestattet, mit dessen Hilfe die Gefäße erweitert werden. Eigentlich ein Routineeingriff, offizielle Stellungnahmen aber sind dazu nicht zu bekommen. Freilich bestreiten Vatikanmitarbeiter nicht, dass dergleichen geplant gewesen sein könnte.

Dass der Papst jedoch an Herzschwäche leide, wird entschieden dementiert: "Der Heilige Vater hat ein Herz wie ein Löwe", berichtet ein Pater aus seiner Umgebung.

Die Erstickungszustände in dieser Woche waren vermutlich durch einen Kehlkopfkatarrh ausgelöst worden, der zu so genannten Krupp-Anfällen, die man in ähnlicher Form bei Kindern kennt, führen kann. Schon das allein hätte tödlich sein können für den von der Parkinson-Krankheit geschwächten Mann.

© SZ vom 4.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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