Renten-Streit:Scholz: CDU reagiert "abgrundtief verlogen"

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Im Streit um die von der Koalition beschlossene Renten-Kürzung wird die Tonlage immer aggressiver: SPD-Generalsekretär Scholz warf CDU-Chefin Merkel vor, sie sage "schlichtweg die Unwahrheit".

Scholz hat die CDU-Reaktion auf den rot-grünen Rentenkompromiss "abgrundtief verlogen" genannt. Er bezog sich damit auf eine Aussage von Angela Merkel, die auf die Frage, welche Sparmaßnahmen die Union als Regierungspartei vorgeschlagen hätte, erklärt hatte: "Wir wären niemals in eine solche Lage geraten." Die Bundesregierung habe das Milliardenloch in den Rentenkassen durch ihre Politik in den vergangenen Jahren ganz alleine zu verantworten.

Merkel sprach nach Beratungen der CDU-Spitzengremien von einem "Offenbarungseid" und einer "schweren Zumutung für die Rentner".

Scholz wies darauf hin, dass der Rentenbeitrag am Ende der Kohl-Regierung 1998 bereits bei 20,3 Prozent gewesen sei. Heute, unter Rot-Grün, betrage er 19,5 Prozent. Wäre die Union an der Regierung geblieben, läge der Beitrag heute bei 21,6 oder mit Demografiefaktor bei 21,5 Prozent des Bruttoeinkommens, meinte der SPD-Generalsekretär.

Koch: übler Offenbarungseid

Scholz wies daraufhin, dass die Koalition ihre Rentenbeschlüsse auch ohne Zustimmung der Union umsetzen kann. Die einzige Maßnahme, der der Bundesrat zustimmen muss, ist die Auszahlung der Altersbezüge für Neurentner erst am Monatsende. Der SPD-Generalsekretär sagte, er hätte für Zusammenarbeit mit der Opposition plädiert, "aber es geht auch so".

Neben Angela Merkel übten vor allem die CDU-Ministerpräsidenten lauthals Kritik: Der hessische Regierungschef Roland Koch nannte die Beschlüsse der Koalition einen "üblen Offenbarungseid". Die Regierung habe 1998 das Gesetz falsch geändert, und dieser Fehler werde jetzt auf dem Rücken der Rentner ausgetragen. Die Union werde das nicht mitmachen.

Der saarländische Regierungschef Peter Müller sprach von einem "Dokument der Konzeptionslosigkeit", sein baden-württembergischer Kollege Erwin Teufel bezeichnete die Beschlüsse als "reine Willkür".

FDP-Chef Guido Westerwelle bezeichnete die Rentenbeschlüsse der rot-grünen Koalition als "Flickschusterei". Zu dieser Chaospolitik werde die FDP nicht ihre Hand reichen.

Kritik von Sozialverbänden und Gewerkschaften

Der Präsident des Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer, bezeichnete die Einschnitte als "Offenbarungseid für die Sozialpolitik der Regierung". "Wir werden jede einzelne Maßnahme auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen und gegebenenfalls vor Gericht klagen", sagte er der Berliner Zeitung.

Der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger, empfindet die von SPD und Grünen beschlossenen Änderungen bei der Rente als Zumutung. "Die Rentner sind so verunsichert und haben so viel Angst wie das noch nie bisher der Fall gewesen ist", sagte Hirrlinger.

Mit Hinblick auf anstehende Wahlen im kommenden Jahr sagte Hirlinger, er könne den 20 Millionen Rentnern nur empfehlen, "sich ihre Stimmzettel genau anzusehen".

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund übte Kritik. Die Rentenbeschlüsse der Regierung bereiteten dem DGB "allergrößte Bauchschmerzen", so dessen Vorsitzender Michael Sommer.

Nach Ansicht des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer müssen die Rentenbeschlüsse "auf jeden Fall die letzte Notoperation dieser Art" sein. Sie bereiteten den Gewerkschaften "allergrößte Bauchschmerzen", sagte Sommer der Neuen Osnabrücker Zeitung. Positiv bewerte er den Verzicht auf eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre und auf eine Anhebung des Beitragssatzes.

Bundessozialministerin Ulla Schmidt verteidigte die Rentenbeschlüsse der Regierung als alternativlos. Die Koalition habe sich zwischen einem Anstieg der Betragssätze zur Rentenversicherung oder einer begrenzten Belastung der Rentner entscheiden müssen, sagte sie am Montag in Berlin.

Müntefering: Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt

Da ein Zuwachs der Lohnnebenkosten aber unbedingt verhindert werden solle, habe sich die Koalition dafür entschieden, "die Rentner kurzfristig heranzuziehen".

Die Ministerin sprach sich mit Nachdruck für einen Konsens mit der Opposition aus.

SPD-Fraktionschef Müntefering verteidigte die rot-grünen Beschlüsse zur Rente als sozial gerecht. "Auch die heute Aktiven haben Einbußen", sagte Müntefering. "Wir haben in Deutschland schlichtweg über unsere Verhältnisse gelebt, wir dürfen nicht mehr Geld ausgeben, als wir haben", sagte Müntefering weiter.

Den Jungen dürften nicht nur Schuldscheine und Hypotheken hinterlassen werden.

Wirtschaft fordert weitergehende Reformen

Unterstützung erhielt die Bundesregierung dagegen von der Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt lobte, dass der Rentenbeitragssatz im kommenden Jahr bei 19,5 Prozent stabil bleibe. Damit sei gewährleistet, dass die Entlastungen aus der Gesundheitsreform wirken könnten und nicht durch höhere Lohnzusatzkosten zunichte gemacht würden.

Der Arbeitgeberpräsident nannte die Maßnahmen der Bundesregierung unverzichtbar, sprach sich aber zugleich für weiter gehende Reformen wie die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre

Von den Beschlüssen der Koalition bedarf lediglich die Entscheidung, die Rentenzahlungen für Neurentner auf das Monatsende zu verschieben, der Zustimmung des unionsgeführten Bundesrats.

Unterschiedliche Signale aus der Union

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