Rente mit 67:Reform der kleinen Schritte

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Union und SPD wollen das Rentenalter anheben und erwarten zu Recht Hilfe aus der Wirtschaft. Sonst wird die Rente mit 67 zum Flop.

Andreas Hoffmann

Nach der Kritik der letzten Tage darf man ruhig einmal Beifall klatschen. Die Verhandlungen über die große Koalition haben ein erstes, mutiges Ergebnis gebracht: Union und SPD wollen das Rentenalter anheben. Statt bis 65 Jahre sollen die Menschen in Zukunft bis 67 arbeiten. Endgültig fallen soll die Entscheidung erst in zwei, drei Jahren, aber SPD-Chef Franz Müntefering und die designierte Kanzlerin Angela Merkel deuteten an, in diese Richtung marschieren zu wollen - wenn auch vorerst mit kleinen Schritten.

Merkel, Stoiber und Müntefering (Foto: Foto: dpa)

Die Entscheidung macht das Rentensystem etwas sicherer. Wenn die Menschen länger leben, müssen sie auch länger arbeiten und Beiträge zahlen. Kein Sozialsystem der Welt überlebt, wenn die Schar der Empfänger wächst und die der Zahler schrumpft. Über so viel Kenntnis der Mathematik dürfte jeder verfügen. Insofern ist der Beschluss längst überfällig, Fachleute fordern ihn seit langem. Der Schulterschluss der Parteien könnte somit für mehr Vertrauen in die Rente sorgen.

Kein Thema verschreckt die Menschen so sehr wie die Angst vor dem Alter, fürchten doch viele um ihr Auskommen im Ruhestand. Dass beide Parteien nun zusammengehen, stärkt sie auch gegen Kritik. Sie knüpfen an eine lange Tradition von Adenauer, Brandt bis Kohl an, wonach Union und SPD die großen Rentenreformen oft gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Diese Einigkeit ist auch wichtig, weil viele Einwände zu hören sein werden. Einige Zeitungen haben ihre Horrorschlagzeilen bereits gedruckt, mit den Sorgen der Rentner lässt sich gut die Auflage steigern.

Dabei wird das höhere Rentenalter nicht von heute auf morgen eingeführt. Denn die Rentenversicherung gleicht einem riesigen Öltanker, der nur sehr langsam seinen Kurs wechseln kann. So dauert die völlige Umstellung auf die Rente mit 67 über zwei Jahrzehnte. Wer heute 55 Jahre oder älter ist, muss also nicht fürchten, länger ins Büro gehen zu müssen. Die Reform trifft vor allem die jüngeren Arbeitnehmer unter 45. Aber von denen haben ohnehin viele einen solchen Schritt erwartet. Merkel und Müntefering schaffen auf diese Weise etwas mehr Ehrlichkeit.

Andere Länder sind längst nicht so weit. Franzosen und Italiener wechseln heutzutage viel früher in den Ruhestand als die Deutschen, entsprechende Reformen liegen auf Eis. In Großbritannien hat Premierminister Tony Blair dieser Tage eine Anhebung der Altersgrenze von 60 auf 65 Jahre für Staatsbedienstete vorerst gestoppt. Der Chef von New Labour redet halt gern über Sozialreformen, Deutschland aber macht sie.

Die Rente mit 67 wird aber nicht automatisch ein Erfolg. Wenn die Menschen länger arbeiten sollen, brauchen sie die entsprechenden Jobs. Ein Bewusstseinswandel ist dazu nötig, vor allem in den Köpfen der Unternehmer. Noch immer drängen die Personalchefs ältere Beschäftigte bevorzugt aus dem Job, halten sie für unflexibel oder langsam - ein Trugschluss, wie Studien beweisen. Die Leistungsfähigkeit von Jüngeren und Älteren unterscheidet sich kaum. Wer älter ist, bringt oft andere Talente mit wie Erfahrung oder Organisationsgeschick. Dennoch arbeitet hierzulande nur ein Drittel der 55- bis 64jährigen Männer, der Rest ist arbeitslos oder in Frührente. Ganz anders in der Schweiz oder in Schweden: Dort haben 65 bis 70 Prozent der Älteren einen Job.

Ein vergreisendes Land wie die Bundesrepublik kann es sich aber nicht erlauben, auf seine gut ausgebildeten, erfahrenen Köpfe vorzeitig zu verzichten. Im internationalen Wettbewerb wäre das fahrlässig, denn Bildung und Ausbildung sind der wichtigste Rohstoff der Deutschen. Diesen Schatz zu sichern ist die Aufgabe der Arbeitgeber. Die Herren Hundt und Co. müssen einen Kulturwandel in den Unternehmen auslösen. Sonst wird die Rente mit 67 zum Flop.

© SZ vom 29.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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