Reisen in der EU:Europa will's wissen

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Brüssel plant ein neues Kontrollsystem für Reisende ohne Visumpflicht. Ähnlich wie in den USA sollen sie online eine Genehmigung beantragen.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Für eine Reise in die USA brauchen EU-Bürger kein Visum, wohl aber seit 2009 eine Reisegenehmigung. Sie ist vor Fahrtantritt online zu beantragen und kostet 14 Dollar. Verlangt werden diverse persönliche Angaben, unter anderem über Schulbildung, Job, Vorstrafen und Krankheiten. Gibt das "Esta"-System grünes Licht, garantiert dies zwar noch keine Einreise in die USA, verkürzt aber die Überprüfung an der Grenze, die nach den Anschlägen von 9/11 stark verschärft worden war.

Die Grünen im EU-Parlament halten das System für unnötig und zu teuer

Dieses System will nun auch die Europäische Union einführen. Damit werde eine Sicherheitslücke geschlossen, erklärte die EU-Kommission, die am Mittwoch ihren Vorschlag für ein europäisches Reise-Informations- und Genehmigungssystem (Etias) präsentierte. "Wir können dann wissen, wer unsere Grenze überschreitet", sagte der Vizepräsident der Behörde, Frans Timmermans. "Das wissen wir bisher nur bei Inhabern von Visa." Betroffen sind also Bürger aus Nicht-EU-Staaten, die für eine Reise nach Europa kein Visum benötigen, sondern nur einen Reisepass: etwa Amerikaner, Japaner, Taiwaner, Malaysier, Serben oder Mazedonier. Die Liste umfasst knapp 60 Länder, nach dem Brexit wohl auch Großbritannien.

Das System sei "billig, leicht und effizient", sagte Timmermans. Alles geschehe gemäß den neuesten Datenschutzregeln der EU, die in Brüssel als "die besten der Welt" gelten. Das Ausfüllen dauere nur wenige Minuten und werde in 95 Prozent aller Fälle wiederum in Minuten zu einer positiven Antwort führen. Die Daten werden automatisiert mit den einschlägigen europäischen Datenbanken abgeglichen. Dazu zählen das Schengener Informationssystem, die Asylbewerber-Datenbank Eurodac, das Visa-Informationssystem oder die Datenbanken von Europol und Interpol.

Hinzukommen wird das geplante Ein- und Austrittssystem der EU, mit dem künftig jene ermittelt werden sollen, die sich länger im Schengen-Gebiet aufhalten, als sie dürfen. All dies soll miteinander zu einer IT-Architektur verbunden werden, die langfristig eine einfache, einheitliche Benutzer-Oberfläche erhalten soll.

Etias wolle von Reisenden im Vergleich zu den Systemen in den USA, Kanada oder Australien nur "das absolute Minimum" erfahren, hieß es in Kommissionskreisen. Gefragt wird nach Personal- und Adressdaten, ansteckenden Krankheiten, Vorstrafen, Aufenthalten in Kriegs- oder anderen Risikogebieten, Ausweisungen aus der EU, aber auch nach Ausbildung und Jobsituation. Schlägt das System an, sollen EU-Mitarbeiter oder nationale Beamte der Sache nachgehen. Diverse Sonderfälle, wie etwa Grenzgänger, würden berücksichtigt, versichert die Kommission; Internet-Ferne oder Analphabeten können Vertreter mit der Anfrage beauftragen.

Etias aufzubauen, soll einmalig 212 Millionen Euro kosten. Die jährlichen Kosten von 85 Millionen sollen von den fünf Euro Gebühren gedeckt werden, die zwischen 30 bis 50 Millionen Reisende im Jahr pro Etias-Überprüfung bezahlen müssen. Eine Genehmigung soll fünf Jahre lang gültig sein. Geplant ist, das System in drei Jahren in Betrieb zu nehmen.

Die Grünen im EU-Parlament halten das System für unnötig. Es koste zu viel und werde wenig Mehrwert bringen, sagt der Abgeordnete Jan Albrecht. Schließlich seien Bürger aus Staaten betroffen, die ohnehin diverse rechtsstaatliche Bedingungen der EU erfüllen müssten und mit denen die EU schon polizeilich und justiziell zusammenarbeite. Ein solches System wiege die Bürger nur in "Schein-Sicherheit" und könne sogar weniger Sicherheit bedeuten, weil dafür Kapazitäten bei der Ermittlung abgezogen würden.

Etias liefere den EU-Grenzbeamten wertvolle Informationen, hält Monika Hohlmeier (CSU) dagegen. So könne man nicht zuletzt Schwerverbrechern und Mitgliedern krimineller Netzwerke auf die Schliche kommen, die immer raffiniertere Täuschungsmittel ersönnen und sich oftmals frei auf europäischem Gebiet bewegen könnten. "Damit sind wir bisher zu locker umgegangen."

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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