Regionalkonferenz der SPD-Spitze:"Der Markt braucht soziale Wegweiser"

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Die SPD-Spitze stellt auf einer Regionalkonferenz in Bremen den Entwurf für das neue Grundsatzprogramm vor.

Die Sozialdemokraten wollen ihre Politik in Zukunft stärker auf soziale Gerechtigkeit ausrichten und fordern mehr Solidarität. ,,Wir wollen eine Gesellschaft, die durch eine Klammer zusammengehalten ist'', sagte der SPD-Vorsitzende Kurt Beck am Sonntag in Bremen bei der ersten von vier Konferenzen zum geplanten neuen Grundsatzprogramm.

Soziale Gerechtigkeit sei im 21. Jahrhundert ebenso aktuell wie im 19. und 20. Jahrhundert. Das Prinzip ist laut SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, ,,Realitäten anzuerkennen, sich aber nicht mit den Verhältnissen abzufinden. Es geht um die Zukunft unseres Sozialstaates''. Heil und Beck sprachen sich vor den etwa 800 Delegierten für mehr Möglichkeiten für Kinder, Lohngerechtigkeit und Beschäftigungschancen aus.

Neoliberalen Strömungen erteilten beide ebenso eine Absage wie auch Forderungen der oppositionellen Linken. Eine zu einseitige Ausrichtung auf den Staat oder den Markt sei falsch, beides bedinge einander. ,,Der Markt braucht soziale Wegweiser'', sagte Vizekanzler und Bundesarbeitsminister Franz Müntefering.

Kritik von den Delegierten

Beck bekräftigte in Bremen seine Forderung nach Mindestlöhnen. ,,Mindestlohn ist keine Spinnerei'', sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident. Dies sei die Antwort auf die Frage, ob der Maßstab noch gelte, dass man von einem Vollzeit-Arbeitsplatz auch leben könne.

Heil betonte, die SPD habe in der großen Koalition bei der Sicherung von Arbeitnehmerrechten Linie gehalten. ,,Wer den Gewerkschaften in Deutschland das Kreuz brechen will, bekommt es mit uns zu tun.'' In Bremen diskutierten SPD-Vertreter aus Norddeutschland über das geplante Grundsatzprogramm. Drei weitere Konferenzen in Berlin, Bonn und Nürnberg sollen bis zum 11. März folgen.

An der Konferenz in Bremen nahmen neben der SPD-Führung auch Landespolitiker und Gewerkschafter teil. Der Parteivorstand hatte Anfang Januar einen Programmentwurf beschlossen. Es soll Ende Oktober verabschiedet werden und das ,,Berliner Programm'' von 1989 ablösen. Zuvor will die SPD eine Fragebogen-Aktion starten, um die Meinung ihrer etwa 560000 Mitglieder herauszufinden.

Die SPD tritt in dem mehr als 60-seitigen Programmentwurf dafür ein, dass es von 2010 an einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung für Kinder vom zweiten bis zum fünften Lebensjahr geben soll. Zudem sollen Geringverdiener über Steuergutschriften von Sozialabgaben befreit werden können. Damit soll der Niedriglohn-Sektor attraktiver werden.

Es sollen Anreize für Hartz-IV-Bezieher entstehen, sich um eine Stelle im regulären Arbeitsmarkt zu bemühen. Der Programmentwurf sieht ein Konzept für einen vorsorgenden Sozialstaat und Vorrang für Bildung in allen Lebensphasen vor. Der Entwurf kam jedoch nicht bei allen Delegierten gut an. ,,Richtig große Veränderungen scheint sich diese Partei nicht mehr zuzutrauen'', sagte ein Sozialdemokrat während der Debatte.

Müntefering forderte seine Partei auf, die geplante Unternehmensteuerreform zu unterstützen. Diese sei ,,eine staatliche Maßnahme des geschickten Eigennutzes. Das ist nicht unsozialdemokratisch'', schrieb Müntefering in einem Beitrag für die Welt am Sonntag. Darin befasst sich Müntefering mit dem Thema Wohlstand und Arbeit für alle. Ein wichtiger Punkt sei die Förderung des technologischen Fortschritts.

,,Unverzichtbar'' nennt Müntefering Industriepolitik etwa für die Autoindustrie, die Chemie- und die Flugzeugindustrie: ,,Wir wollen in der Sache Genossen der Bosse sein, denn die Positionierung unserer Industrie, ihre Leistungsstärke, ihr Hochtechnologieniveau und ihre Internationalisierung sind von ausschlaggebender Bedeutung für die Attraktivität unseres Landes im globalisierten Markt.'' Entscheidend sei auch die Ökologie.

© SZ vom 12.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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