Reformvorschlag:Zuschuss soll Arbeitsplätze im Lande halten

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Wenn Firmen erwägen, Arbeitsplätze aus Kostengründen ins Ausland zu verlagern, sollen sie mit befristeten Lohnzuschüssen zum Bleiben bewegt werden, fordert Gewerkschaftschef Schmoldt.

Von Jonas Viering

Hannover - Der Chef der Chemiegewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt, hat einen guten Draht zu Bundeskanzler Gerhard Schröder. "Die Augen davor zumachen, dass es solche Entwicklungen gibt, das können wir uns nicht mehr erlauben", sagte Schmoldt.

Zahlen solle die Bundesagentur für Arbeit, so wie sie das schon heute bei Eingliederungszuschüssen für Arbeitslose tue. Das Geld könne maximal zwei Jahre fließen. In dieser Zeit sollen die Betriebe ihre Produktivität steigern, um wieder wettbewerbsfähig zu werden.

Risiko des Missbrauchs

Das Wirtschaftsministerium reagierte skeptisch. "Eine Umsetzung wäre schwierig", sagte eine Sprecherin. Zum einen würde das Geld der Beitragszahler zur Standortsicherung ausgegeben, zum anderen könnten derlei Zuschüsse mit dem EU-Beihilferecht kollidieren.

Schmoldt räumte ein, dass es "ein Risiko des Missbrauchs" gebe. Die Gewerkschaft gelange mit ihren eigenen Instrumenten aber an eine Grenze. Die Tarifverträge lassen Abweichungen in Krisenfällen zu, ein Fünftel der Chemie-Beschäftigten ist davon derzeit betroffen.

Kürzungen seien hier aber nicht beliebig weit möglich, weil sonst die Löhne nicht mehr zum Leben reichten, so Schmoldt.

Gleichfalls an die Bundesregierung gewandt schlug er eine Kommission zur Zukunft der Mitbestimmung vor. Die Mitglieder sollen aus Regierung, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden kommen.

Das deutsche Modell müsse "europatauglich" gemacht werden, sagte Schmoldt. Damit setzte er sich von den Gewerkschaftern ab, die jeden Reformbedarf bei der Mitbestimmung verneinen.

Schmoldt reagierte auf Forderungen der Arbeitgeber nach einer Reduzierung der Arbeitnehmersitze in Aufsichtsräten - was Schmoldt ablehnt.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt begrüßte Schmoldts Kommissions-Vorschlag. "Ich unterstütze Bemühungen, den notwendigen Veränderungsprozess im Konsens zu gestalten", sagte Hundt.

Seine Appelle an die Bundesregierung begleitete Schmoldt mit Attacken gegen die CDU. Die Bundestagswahl 2006 bringe eine Entscheidung zwischen "dem amerikanischen Modell ungezügelter Marktwirtschaft" und den Reformen von Rot-Grün.

Über das Verhältnis zur Regierung hatte es unter den Gewerkschaften heftigen Streit gegeben. Das sei vorbei, sagte Schmoldt, ergänzte aber: "Der DGB ist keine Liebesveranstaltung."

Im zu Ende gehenden Jahr hat die IG BCE weiter Mitglieder verloren. Ihre Zahl sank um 29.000 auf 772.000. Um den Trend zu stoppen, will die Gewerkschaft bei Tarifabschlüssen Sonderleistungen exklusiv für ihre Mitglieder vereinbaren, wie sie erstmals mitteilte.

Einen solchen Bonus könnte es bei der Zahl der Urlaubstage oder beim Weihnachtsgeld geben. Die IG Metall hatte kürzlich entsprechende Regelungen mit einzelnen Firmen in NRW vereinbart und damit überwiegend Empörung ausgelöst.

© SZ vom 15.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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