Reformstreit:SPD-Spitze kommt Parteilinken entgegen

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Die SPD-Führung, die heute den Leitantrag zu den Sozialreformen für den Berliner Sonderparteitag am 1. Juni beschließen will, ist nun doch zu größeren Zugeständnissen an Parteilinke und Gewerkschaften bereit. So soll es ein neues Hilfsprogramm für Langzeitarbeitslose geben, eine Abgabe für Betriebe, die nicht ausbilden, und höhere Steuern auf sehr große Erbschaften.

In dem Leitantrag sollen die Änderungsvorschläge, die in fünf Arbeitsgruppen erarbeitet wurden, berücksichtigt werden. Und mit dem Papier IWAN (Innovation, Wachstum, Arbeitsplätzen und Nachhaltigkeit) will man auch den Reformkritikern des linken Parteiflügels entgegengekommen.

Demnach soll es ein neues Hilfsprogramm für Langzeitarbeitslose mit einem Volumen von mehreren hundert Millionen Euro geben, sowie eine Kammerabgabe für Betriebe, die nicht ausbilden.

Die SPD-Linke begrüßte die Zugeständnisse. Jetzt werde ein Antrag vorliegen, der 50 Prozent der Forderungen der Kritiker aufgreife, sagte die frühere SPD-Abgeordnete Andrea Nahles bei einem Treffen der Parteilinken in Frankfurt/Main. "Und bei den restlichen 50 Prozent werden wir um jeden Meter kämpfen."

Auch der Agenda-Kritiker und Abgeordnete Ottmar Schreiner sprach von "einer ganze Reihe positiver Elemente". Gleichwohl blieben aber strittige Punkte wie Lockerung des Kündigungsschutzes und Einschnitte beim Arbeitslosengeld und Krankenversicherung. Schreiner: "Wenn diese Punkte nicht geändert werden, sehe ich nicht, wie eine Zustimmung möglich ist."

Einzelheiten von IWAN

Am Wochenende wurden weitere Einzelheiten von IWAN bekannt, einem längerfristigen Konzept, das die von Schröder mit der "Agenda 2010" eingeleiteten Sozialreformen weiterführen und "Wachstum und Beschäftigung nachhaltig beleben" soll. Nach dem unter Federführung von SPD-Generalsekretär Olaf Scholz erarbeiteten 14-Punkte-Papier sollen auch Reiche einen größeren Beitrag zur Finanzierung von Gemeinwohl-Aufgaben leisten.

Vorgesehen sind unter anderem höhere Steuern auf sehr große Erbschaften durch Änderung der Besteuerungsbasis und Abgaben auf private Wertpapier-Verkäufe. Im Rahmen einer EU-weiten Regelung sollen Kapitalerträge höher besteuert werden.. Gefordert werden darin auch höhere Ausgaben für Forschung und Bildung sowie Initiativen für eine beschäftigungsorientierte Geldpolitik.

Der Kanzler will zudem einen "High-Tech-Masterplan" für junge Unternehmen ankündigen. Wenn sie mehr als 15 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung investieren, sollen sie von der Körperschaftssteuer befreit werden. Bei den Lehrstellen wird ein Fonds-Modell der Handwerks- und Handelskammern angestrebt: Schafft die Wirtschaft nicht selbst genügend Ausbildungsplätze, sollen Betriebe ohne Lehrlinge gesetzlich verpflichtet werden, in den Fonds einzuzahlen. Die anderen Betriebe werden finanziell entlastet.

Kritik von der Opposition

CDU-Chefin Angela Merkel hat die Pläne der SPD für eine teilweise Erhöhung der Erbschaftssteuer kritisiert. Sie sagte der Bild-Zeitung: "Es ist unerträglich, dass der SPD immer nur Neiddebatten und Steuererhöhungen einfallen, um die Probleme in unserem Land zu lösen. Bürger und Unternehmen sind schon jetzt bis zur Schmerzgrenze mit Abgaben und Steuern belastet."

Unterdessen ermahnte Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) in einem Brandbrief eindringlich alle Abgeordneten von SPD und Grünen, den Reformen der Agenda 2010 nicht die Zustimmung zu verweigern. Als besonders dramatisch schildert Eichel die Situation der Rentenkassen: "Wenn wir nicht mit weiteren Reformen entschieden gegensteuern, wird es noch viel schlimmer kommen". Eichel appellierte: "Wir müssen den Sozialstaat retten, indem wir ihn reformieren."

Weitere Proteste der Gewerkschaften

Die Gewerkschaften setzten am Wochenende ihre Proteste gegen die "Agenda 2010" fort. Eine Kundgebung in Berlin mit 10.000 Teilnehmern blieb jedoch deutlich hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück.

"Derzeit wird uns blanker Sozialabbau als Reformpolitik verkauft", kritisierte ver.di-Chef Frank Bsirske. DGB-Vorsitzender Michael Sommer rief in Potsdam die Gewerkschaften zur Geschlossenheit auf.

IG-Metall-Vize Jürgen Peters hat die von der SPD angedeuteten Zugeständnisse an Gewerkschaften und Parteilinke begrüßt. Dies weise "in die richtige Richtung", sagte Peters am Montag im Deutschlandfunk.

Die Zugeständnisse seien aber "nur eine Seite der Medaille", sagte der designierte IG-Metall-Chef. Die Wohlhabenden im Land müssten "mehr schultern". Beim Thema Krankengeld müsse noch nachgebessert werden - die Idee, auf diesem Sektor einseitig die Unternehmen zu entlasten, sei "überhaupt nicht einsichtig".

(sueddeutsche.de/dpa)

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