Reformstreit:Regierung rätselt über den Kurs der Union

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Der Zank innerhalb der Union hat nicht nur sachliche Gründe. Es geht dabei auch um Prestige, Eitelkeiten, Animositäten und die Uraltfrage, wer denn eigentlich das Sagen hat in der Union.

(SZ vom 19.11.2003) - Aus der Sicht der Beteiligten hat der neue Zwist zwischen CDU und CSU zumindest ein Ziel erreicht: Die Affäre Hohmann ist von den ersten Seiten der Zeitungen verschwunden. Endlich, wie manche in den beiden C-Parteien meinen. Statt über den Umgang der CDU mit Rechtsauslegern wird nun wieder über unionsinternen Hader berichtet.

Zwar schätzen Politiker jedweder Couleur Schlagzeilen über Unruhe in den eigenen Reihen nicht besonders. Doch im Zweifelsfall ist es ihnen lieber, wenn sich die Kontroverse um eine Sache und nicht um eine Person dreht.

Nun könnte man meinen, dass sich der jüngste Zank um eine Sache dreht, die Reform der Sozialsysteme nämlich. Das tut sie auch, aber nicht nur. Die in ihrer Schärfe allseits überraschenden Angriffe der CDU-Spitze auf die CSU-Führung haben zahlreiche Gründe und sind keinesfalls alle sachlicher Natur. Es geht dabei auch um Prestige, Eitelkeiten, Animositäten und die Uraltfrage, wer denn eigentlich das Sagen hat in der Union.

Stoiber, Merkel oder Koch?

Ist es der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Stoiber, dem es aus Sicht nicht weniger Christdemokraten an Reformmut mangelt? Ist es die CDU- und Unionsfraktionschefin Angela Merkel, die aus Sicht zahlreicher Christsozialer mit ihrem Kurs zum Umbau der Sozialsysteme auf ein falsches Gleis geraten ist? Oder sind es vielleicht die ambitionierten CDU-Länderchefs wie der Hesse Roland Koch oder Christian Wulff aus Niedersachsen?

Bis zur nächsten Bundestagswahl wird die Führungsfrage beantwortet sein. Aber Geschlossenheit und gemeinsamer Kurs sind schon jetzt gefragt: im Vermittlungssausschuss, der am Donnerstag mit der Suche nach einem Kompromiss über die Steuer- und Arbeitsmarktreform beginnt.

In der Bundesregierung jedenfalls wüsste man erklärtermaßen gern, welchen Preis die Schwarzen für eine Übereinkunft verlangen. Doch darauf hat sich die Union intern noch nicht verständigen können. Und inzwischen zeigt sich, dass die Hohmann-Affäre diese Meinungsfindung erschweren könnte.

"In der Parteispitze liegen jetzt die Nerven bloß", erklärt sich ein führender Unionspolitiker die massiven Angriffe von CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer, die scheinbar nur den CSU-Mann Horst Seehofer, in Wahrheit aber auch Stoiber treffen sollten.

Und auch der baden-württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) wurde, wie zu hören ist, Opfer dieser Nervosität. Stratthaus hatte öffentlich das gesagt, was alle in der Union wissen, aber nicht laut sagen wollen: Dass die vorgezogene Steuerreform zu weit mehr als einem Viertel durch neue Schulden finanziert werden muss.

Merkel will sich keine Schwäche erlauben

Daraufhin bekam er Ärger, der CDU-intern auch so begründet wurde: Man könne nicht nach der schwierigen Kehrtwende im Fall Hohmann nach außen den Eindruck erwecken, dass die Union "schon wieder Positionen räumt". Aus solchen Botschaften darf man schließen: Merkel kann und will sich so bald keine Schwäche mehr erlauben.

Für das Vermittlungsverfahren verheißt das per se nichts Gutes. Was eine Schwäche Merkels wäre, beurteilt ein Koch anders als ein Stoiber. Hoffnung aber gibt es: Dass der CDU-Parteitag Anfang Dezember ein Erfolg für Merkel wird. Der Zwist mit der CSU wäre dann zwar nicht beigelegt, die Nerven aber lägen nicht mehr blank.

© Von Susanne Höll - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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