Reformstreit:"Agenda 2010 kostet weitere 100.000 Arbeitsplätze"

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Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, hat der Bundesregierung vorgeworfen, mit der "Agenda 2010" Arbeitsplätze zu vernichten. Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit dagegen gehen die Reformpläne nicht weit genug.

Der Bild -Zeitung sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, Rot- Grün wolle "die Arbeitslosenhilfe streichen, damit der Steuersatz für Spitzenverdiener sinken kann".

"Mit solchen Einschnitten kostet die "Agenda 2010" in den nächsten Monaten weitere 100 000 Arbeitsplätze".

Bsirske forderte von der Bundesregierung, auch "die großen Vermögen zur Finanzierung des Sozialstaats" heranzuziehen. Dies könne beispielsweise durch eine Vermögenssteuer, eine Steuer auf Aktienkäufe und eine Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne geschehen. Die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer sowie die höhere Neuverschuldung reichten nicht aus, sagte er.

Bsirske rechnet damit, dass sich die steigende Belastung der Beschäftigten durch höhere Steuern, Zuzahlungen und soziale Einschnitte auf die künftigen Tarifverhandlungen auswirkt.

"Wenn die Politik den kleinen Leuten immer tiefer in die Tasche greift, erhöht das den Druck auf die Gewerkschaften, zum Ausgleich deutliche Lohnerhöhungen durchzusetzen." Ein Generalstreik sei jedoch zurzeit kein Thema, betonte er.

Reformkurs noch verschärfen

Nicht weit genug gehen Schröders Reformpläne dagegen Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Er hat die SPD aufgefordert, den Reformkurs noch zu verschärfen und Maßnahmen über die Agenda 2010 hinaus zu ergreifen. "Wir brauchen Lösungen, die wirklich für einen Zeitraum von 20 Jahren halten", sagte der SPD- Politiker der Berliner Zeitung.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hätte noch deutlichere Reformen vorschlagen können als in der Agenda 2010 geschehen. "Die Leute lassen sich auch von harten Einschnitten überzeugen", zeigte sich Wowereit überzeugt.

Reformpläne könnten in der SPD-Fraktion scheitern

Unterdessen warnte der SPD-Linke Michael Müller davor, dass Schröders Reformpläne in der SPD-Fraktion scheitern könnten. "Selbst wenn Schröder auf dem SPD-Sonderparteitag am 1. Juni eine Mehrheit bekommt, heißt das noch lange nicht, dass er auch die Zustimmung der Fraktion hat", sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken dem Tagesspiegel. Zudem finde der Änderungsantrag der SPD- Linken für den Parteitag bei Parteiveranstaltungen "viel mehr Zustimmung" als der Agenda-Text.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) warnte seine Partei vor einem Machtverlust im Bund, wenn der Protest gegen die Reformen anhält. "Alle, die jetzt als Kritiker auftreten, werden lernen, dass darüber die politische Machtfrage für die SPD gestellt wird", sagte er der Westfälischen Rundschau. Er erinnerte an den Sturz der Regierung von Helmut Schmidt (SPD). "Beim letzten Mal, 1982, hat man 16 Jahre lang die Oppositionsbank drücken müssen", sagte Steinbrück.

Warnung vor einem Bruch mit der SPD

Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) warnte die Gewerkschaften davor, einen Bruch mit der SPD zu provozieren. Die Kritik vieler Gewerkschafter sei "vollkommen überzogen", sagte Beck der Financial Times Deutschland. Wer den Sturz des Kanzlers in den Raum stelle, der müsse auch die Alternative bedenken, warnte Beck.

DGB-Chef Michael Sommer hatte am Wochenende die Befürchtung geäußert, dass es zum Bruch zwischen SPD und Gewerkschaften kommen könnte. Der Reformstreit wird auch heute (Montag) Thema in der Sitzung des SPD- Präsidiums in Berlin sein.

(sueddeugsche.de/dpa)

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