Reformdebatte um Mindestlohn:"Sittenwidrige Größenordnungen"

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Arbeitsminister Müntefering hält Löhne unter vier Euro die Stunde für sittenwidrig. Menschen, die einem Monat lang zur Arbeit gingen, müssten von dem Lohn auch sich und ihre Familie ernähren können, forderte der Minister. Die Reichensteuer hat Müntefering unterdesen verteidigt.

Bundesarbeitsminister Franz Müntefering hält Löhne unter vier Euro die Stunde für sittenwidrig. Die Frage von Kombi- und Mindestlohn, Mini- und Midijobs werde die Regierung im Herbst beantworten, so der SPD-Politiker.

"Löhne von vier Euro die Stunde, 3,50 Euro die Stunde, das ist alles schon da gewesen. Und das sind sittenwidrige Größenordnungen." Menschen, die einem Monat lang brav zur Arbeit gingen, müssten von dem Lohn auch sich und ihre Familie ernähren können, forderte der Minister.

Jeder müsse begreifen: "Niedriglohnstrategie wird den Wohlstand in Deutschland nicht sichern. Wir müssen Hochleistungsland sein wollen, wir müssen gut, wir müssen sehr gut sein wollen, und wir müssen dann auch hohe Löhne zahlen und bekommen in Deutschland. Billig können andere Länder einfacher als wir."

Beim Thema Mindestlohn wäre ihm eine tarifliche Vereinbarung lieber als eine gesetzliche, sagte der SPD-Politiker. "Wenn man das über das Entsendegesetz machen könnte wie im Baugewerbe oder demnächst bei den Gebäudereinigern, dann ist das einfach. Dann kann der Gesetzgeber sich da ganz raushalten."

Müntefering rief erneut zum Kampf gegen illegale Beschäftigung auf. Es müsse in der Bundesrepublik Arbeit für diejenigen geben, die legal im Lande seien. Nur so könne die Arbeitslosigkeit bekämpft werden.

Er sei froh, dass sich die Dinge positiv entwickelten, erklärte der SPD-Politiker. "Gerade Menschen aus Ostdeutschland melden sich in diesen Tagen und Wochen und sagen, jawohl, wir sind bereit, auf die Felder zu gehen. Das finde ich ausdrücklich gut."

Müntefering verteidigt Reichensteuer

Die Reichensteuer hat Müntefering unterdesen verteidigt. Man könne es gut vertreten, dass diejenigen, "die ganz oben sind, ein Stückchen mehr an Steuern bezahlen müssen" - wenn man sich anschaue, "was wir anderen Leuten auch zumuten", sagte Müntefering.

Das Wort Reichensteuer, das einige als diskriminierend empfänden, habe "schon seine Berechtigung", sagte Müntefering weiter. Wer als Lediger 250.000 Euro oder als Verheirateter 500.000 Euro Einkommen pro Jahr zu versteuern habe, könne "auch drei Prozent mehr in die große Kasse zahlen".

Müntefering zeigte sich überzeugt, dass sich die aktuell schwierigen verfassungsrechtlichen Probleme hinsichtlich der Unternehmensbesteuerung im kommenden Jahr durch die angekündigte Reform lösen ließen. Müntefering rechtfertigte auch die im Wahlkampf von der SPD zunächst abgelehnte Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Sie habe, wie sie jetzt von der Koalition beschlossen sei, ihre Logik. Mit einem Prozentpunkt der Mehreinnahmen würden die Lohnnebenkosten reduziert, was für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber bei den Abgaben jeweils zu einer Entlastung von 0,8 Prozent führe. Die anderen zwei Prozentpunkte gingen an Bund, Länder und Gemeinden. "Das heißt mehr Investitionen bei den Städten und Gemeinden, um Arbeitsplätze zu schaffen vor Ort."

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