Reformationsjahr:Gnädiges Beäugen tut not

Die Lutherischen und der Papst sind freundlich zueinander.

Von Matthias Drobinski

Nicht gerade die Einheitskirche haben sie im schwedischen Lund ausgerufen, 499 Jahre nach Luthers Thesenanschlag. Papst Franziskus und Mounib Younan, der Präsident des Lutherischen Weltbundes, haben auch nicht bei der Frage nach dem gemeinsamen Abendmahl den Leuten zugerufen: Macht doch, was ihr wollt. Sie sind auf dem Boden des gesicherten Konsenses geblieben. Trotzdem: Die ökumenische Eiszeit ist vorbei, die nun doch länger dauerte. Noch nie haben Protestanten und Katholiken so nahe beieinander der Reformation gedacht.

Das bedeutet längst nicht, dass alle Steine beseitigt sind, die zwischen den Kirchen liegen. Noch immer trennt Katholiken und Protestanten das verschiedene Kirchenverständnis. Und es werden sicher irgendwann wieder die Distanzprediger beider Seiten im Vordergrund stehen, denen die Umarmerei unheimlich ist.

Es gibt ja auch zum Glück die Unterschiede zwischen den Konfessionen und keine Einheitskirche mit Einheitstradition und Einheitsgesang. Aber die Christen wären unglaubwürdig, wenn sie nun nicht mit aller Kraft dafür arbeiten, dass diese Unterschiede die Kirchen nicht mehr trennen. Wie wollen sie den Gott der Versöhnung und der Gnade predigen, wenn sie einander ungnädig beäugen? Wenn diese Erkenntnis im Reformationsjahr zum festen Bestandteil des christlichen Selbstverständnisses würde, hätte sich die Feier schon gelohnt.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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