Referendum zur EU-Verfassung:London zieht die Notbremse

Lesezeit: 1 min

Nach Non und Nee nun das No der Blair-Regierung: In Großbritannien wird es zunächst kein Referendum über die EU-Verfassung geben. Skeptiker werden das als Sargnagel für das Vertragswerk sehen, Realisten dagegen als weise Entscheidung.

Die britische Regierung will nach den negativen Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden kein Referendum über die EU-Verfassung mehr abhalten. "Wir leben in unsicheren Zeiten, und wir wollen erst weitermachen, wenn wir Sicherheit haben", zitierte die BBC einen Sprecher von Premierminister Tony Blair.

Angesichts der Ergebnisse in zwei EU-Staaten erscheine es sinnlos, mit dem geplanten Referendum fortzufahren. Die Lage nach dem Nein aus Frankreich und den Niederlanden müsse Mitte dieses Monats beim EU-Gipfel in Brüssel näher analysiert werden, erklärte der Sprecher weiter.

Für den Nachmittag hat Außenminister Jack Straw im Unterhaus eine Erklärung angekündigt. Es wird erwartet, dass Straw eine Verschiebung des britischen Referendums auf unbestimmte Zeit ankündigen wird. Ursprünglich hatte die Abstimmung im Frühjahr 2006 stattfinden sollen.

Dies bedeutet nach Berichten der britischen Zeitungen jedoch nicht, dass die Briten gar nicht über die Verfassung abstimmen dürfen. Denkbar ist, dass das Referendem zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet.

Die konservative Opposition lehnt die Verfassung ab, hat aber bisher Pläne für ein Referendum unterstützt.

Schröder und Chirac wollen weitermachen

Die Entscheidung dürfte das vorläufige Ende der EU-Verfassung bedeuten. Denn sie kann nur in Kraft treten, wenn sie von allen 25 Mitgliedstaaten ratifiziert wird. Umfragen zufolge würden derzeit 72 Prozent der Briten die EU-Verfassung ablehnen. Insofern hat London europapolitisch sinnvoll entschieden: Jedes weitere Nein würde das Verfassungsprojekt noch schwerer beschädigen.

Premierminister Tony Blair hatte sich am Sonntag mit Blick auf den Ratifizierungsprozess für eine "Denkpause" ausgesprochen. Am 29. Mai und am 1. Juni hatten Franzosen und Niederländer die Verfassung in Referenden mit jeweils deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac wollen den Ratifikations-Prozess in den 13 EU-Ländern fortsetzen, die noch keine offizielle Entscheidung getroffen haben.

Schröder und Chirac hatten bei einem Gespräch im Kanzleramt vereinbart, künftig stärker auf die Sorgen der Menschen in Europa einzugehen. Sie wollen am kommenden Freitag in Paris zu weiteren Gesprächen zusammenkommen.

Am 13. Juni - drei Tage vor dem EU-Gipfel in Brüssel - trifft Schröder Blair in Berlin.

© AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: