Rede vor dem Europarat:Gül will mehr Meinungsfreiheit

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In der Türkei würde zwar niemand in Haft sein, weil er seine Meinung geäußert hat. Sein Land müsse auf dem Weg in die Europäische Union aber trotzdem mehr für die Meinungsfreiheit tun, findet Präsident Gül. Jetzt will er den umstrittenen "Türkentum"-Paragrafen ändern.

Die Türkei muss auf dem Weg in die Europäische Union nach den Worten von Präsident Abdullah Gül mehr für die Meinungsfreiheit tun. "Niemand ist heute in der Türkei in Haft, weil er seine Meinung geäußert hat, aber es gibt noch viel zu tun", sagte Gül am Mittwoch vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg.

Der türkische Präsident Gül: "Niemand ist heute in der Türkei in Haft, weil er seine Meinung geäußert hat, aber es gibt noch viel zu tun." (Foto: Foto: AFP)

Der türkische Präsident sicherte eine Änderung des umstrittenen "Türkentum"-Paragrafen zugesichert. Der Paragraf 301 stellt die Verunglimpfung des Staates und "Beleidigung des Türkentums" unter Strafe von bis zu drei Jahren. Das türkische Parlament habe bereits eine entsprechende Prüfung eingeleitet, sagte Gül am Mittwoch vor der parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg.

Unter dem Paragrafen wurden mehrere Schriftsteller und Journalisten vor Gericht gestellt, darunter Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. Menschenrechtler kritisieren, der Paragraf entmutige, Meinungen zu äußern, und schüre ein Klima der Intoleranz, das von Ultra-Nationalisten ausgenutzt werde. Dem Gesetz zufolge ist eine Beleidigung des Türkentums strafbar. Pamuk und andere Beklagte wurden zur Rechenschaft gezogen, weil sie die Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg als Völkermord bezeichneten.

"Es besteht noch Raum für Verbesserungen", sagte Gül, der in seiner Rede vor den Abgeordneten aus den 47 Ländern des Europarats die Erfolge der türkischen Reformpolitik betonte. "Jeder in der Türkei kann seine Meinung sagen, solange er nicht zur Gewalt aufruft oder jemanden beleidigt", sagte der Präsident. "Die Redefreiheit gehört zu den wichtigsten Elementen der Demokratie".

Der jüngste positive Fortschrittsbericht der Europäischen Union (EU) über die Türkei zeige, dass die Parlamentswahlen im Juli völlig offen gewesen seien und zur Bildung eines starken Parlaments geführt hätten, sagte der Präsident. Zur Rolle der Armee in seinem Land, das eine Mitgliedschaft in der EU anstrebt, sagte er, diese sei in der Verfassung und durch das Gesetz klar umrissen. Gleichzeitig betonte er, dass die Armee "einen wichtigen Beitrag zur politischen Stabilität im östlichen Mittelmeerraum" leiste.

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