Rechtsstreit:Bundesamt für Migration und Streit

Lesezeit: 2 min

Hat jetzt den Schwarzen Peter: das Bundesamt für Migration. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Ausgerechnet bei der Behörde, die täglich über Schicksale entscheidet, scheint es menschlich nicht zu laufen: 220 Beschäftigte sind vor Gericht gezogen, weil sie ihren Job verlieren sollen.

Von Bernd Kastner, München

Ein Mitarbeiter bekommt wegen sehr guter Leistung eine Prämie von seinem Arbeitgeber, freut sich - und erfährt wenig später, dass ihn eben dieser Arbeitgeber nicht mehr haben will. Wegen angeblich mangelnder Leistung. Der Arbeitgeber ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Dort erreicht der Unmut über die Personalpolitik einen neuen Höhepunkt. Es ringen vor den Gerichten: Mitarbeiter und Personalrat gegen Amtsleitung. Dabei geht es auch um die Frage, wie glaubwürdig die Bundesregierung ist.

Das Bamf hat wie keine zweite Bundesbehörde in den vergangenen Jahren an Personal zugelegt. Tausende Mitarbeiter wurden wegen des hohen Zuzugs von Flüchtlingen eingestellt, viele befristet für zwei Jahre. Nun, da sie eingearbeitet sind und mit den komplizierten und sensiblen Abläufen im deutschen Asylsystem vertraut sind, endet ihr Vertrag, und längst nicht alle dürfen bleiben. 2800 bisher befristet Beschäftigte bewarben sich laut Bamf auf 2000 Dauerstellen. Man darf sich das Ganze wie die Reise nach Jerusalem vorstellen, nur ohne den Spaßfaktor, der sich im Kinderspiel selbst noch bei den Verlierern einstellt. Etwa 800 Bamf-Leute sind ohne Platz.

Die Kabale lässt sich mittlerweile im Intranet der Behörde nachlesen

Ihnen ist schwer zu erklären, dass ihr Arbeitgeber zugleich 600 Mitarbeiter neu einstellt, auch wieder befristet, und wieder müssen Hunderte neu eingelernt werden. Das Bamf erklärt dies damit, dass es im Etat keine weiteren Dauerstellen gebe, dass aber Geld da sei, um befristet einzustellen. Weil es sich in der Vergangenheit und auch jetzt um Stellen handelt, die "sachgrundlos" befristet sind, dürfen die bisher Befristeten nicht nochmals befristet engagiert werden.

Den Gesamtpersonalrat erzürnt das Vorgehen des Bundesamts, weshalb er sich weigert, den Neueinstellungen zuzustimmen. Die Amtsleitung wiederum wertet dieses Veto als "rechtlich unbeachtlich". Also zieht der Personalrat wieder einmal vors Verwaltungsgericht Ansbach, das für Nürnberg, den Sitz der Bamf-Zentrale, zuständig ist; dort sind Personalräte und Amtsvertreter Dauergast. Rudolf Scheinost, Chef des Gremiums, erinnert daran, dass von den Mitarbeitern zu Recht Asylentscheidungen "auf hohem Niveau" erwartet würden, "um den menschlichen Schicksalen gerecht zu werden". Dafür seien Dauerstellen enorm wichtig, um nicht immer wieder wertvolles Wissen zu verlieren. Etwa 220 Beschäftigte sind vor Arbeitsgerichte gezogen, weil sie die Absage nicht akzeptieren wollen. Das Bamf lässt wissen, dass für diese Mitarbeiter Stellen freigehalten würden, falls sie letztlich siegen.

Die Kabale in der Behörde lässt sich auch im Intranet des Amtes nachlesen; der SZ liegen entsprechende Schreiben vor. Der Personalrat des Standorts Nürnberg (dem ein Großteil der Beschäftigten zugeordnet ist) bot vor Kurzem jenen Mitarbeitern Unterstützung an, die trotz Prämie für überdurchschnittliche Leistung so schlecht bewertet wurden im Rahmen ihrer Bewerbung, dass sie durchfielen. Das veranlasste die Amtsspitze zum Widerspruch: Einer Leistungsprämie liege eine "Momentaufnahme" zugrunde, während bei der Entfristung ein systematischer Vergleich unter den Bewerbern erfolgt sei. Dieses Schreiben der Spitze veranlasste den Nürnberger Personalrat seinerseits zum Kontra: Dies sei "nicht richtig". Die Personalräte würden die unterlegenen Bewerber jedenfalls in ihrem Bemühen um eine nachvollziehbare Bewertung unterstützen.

Das oberste Asyl-Amt entwickelt sich immer mehr zum obersten Streit-Amt der Republik. Der Nürnberger Anwalt Rainer Roth, der mehrere unterlegene Bewerber vertritt (und seit Langem auch den Gesamtpersonalrat), bringt die politische Dimension dieses Ringens ins Spiel. Roth erinnert an die gerade erst formulierten Ziele im schwarz-roten Koalitionsvertrag: dass die Zahl der sachgrundlosen Befristungen massiv begrenzt werden solle und eine Stelle auf maximal eineinhalb Jahre befristet werden kann (statt wie bisher auf zwei). Das dem Bundesinnenministerium unterstellte Bamf aber stellt wieder im großen Stil befristet ein - und zwar für jeweils zwei Jahre. "Die Bundesregierung hat ein massives Glaubwürdigkeitsproblem", urteilt Arbeitsrechtler Roth. "Reden und Handeln sind nicht in Einklang."

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: