Rechtsradikalismus:Alles, was rechts ist

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Die NPD will die schwäbische Kleinstadt Senden zu ihrem "nationalen Zentrum" machen. Das jüdische Simon-Wiesenthal-Zentrum ist sehr besorgt und die Bürger werfen den Politikern Tatenlosigkeit vor.

Von Guido Kleinhubbert

In Bezug auf ihre Außenwirkung tut sich die Stadt Senden zurzeit etwas schwer, übrigens auch im Internet. Wer sich auf ihrer Homepage einen optischen Eindruck verschaffen möchte, wie es denn so aussieht an der Iller, erblickt neuerdings viele leere Rahmen, auch unter dem Stichwort "Badeseen". Die schönen Bilder, die zu Werbezwecken sonst zu sehen waren, sind irgendwie unsichtbar geworden. Es ist ein technisches Problem, aber durchaus symbolisch für diese Zeit, da die hässliche Seite der Stadt immer mehr in den Vordergrund rückt.

Sogar das jüdische Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles richtete vergangene Woche die Bitte an Ministerpräsident Edmund Stoiber, doch mal ganz genau nach Senden zu schauen: Es könne nämlich sein, dass sich die Stadt immer mehr zu einem "braunen Nest" entwickle. Die rechtsextreme NPD macht sich immer breiter in der schwäbischen Kleinstadt.

Mittlerweile ist es sogar ihr erklärtes Ziel, Senden zu einem "nationalen Zentrum" aufzubauen. Den meisten der 22.000 Einwohner passt das überhaupt nicht - ein Umstand, der auch am Dienstagabend wieder deutlich wurde, als im Bürgerhaus eine auch von Pfiffen und Buhrufen geprägte Podiumsdiskussion zum Thema "Extremismus in Senden" stattfand.

Die meisten NPD-Mitglieder sind um die 20

Die Veranstaltung lockte hundert Polizisten, mehrere Abgeordnete und 250Besucher an, unter ihnen sämtliche Mitglieder der städtischen NPD. Dabei handelt es sich in der Mehrzahl um 18- bis 22-Jährige, gegen deren Treiben der parteilose Bürgermeister Kurt Baiker derzeit "keinerlei rechtliche Handhabe" sieht. Um das noch einmal zu untermauern, zitierte er entsprechende Gesetzespassagen und ließ sie per Projektor an die Bürgerhaus-Wand werfen.

So wurde zu Beginn der Podiumsdiskussion dann folgender Schluss gezogen: "Die NPD ist nicht verboten und muss daher behandelt werden wie jede andere Partei." Das freute die versammelten Jungnationalen, erboste aber die meisten anderen der etwa 250 Gäste. Baiker kennt das mittlerweile zur Genüge.

Keine Tricks, um Veranstaltungen der NPD zu verhindern

Da er und der Stadtrat dem Grundsatz der Gleichbehandlung stets gefolgt sind, konnte der NPD-Ortsverband in den letzten zwei Jahren immer wieder städtische Säle für äußerst fragwürdige Veranstaltungen anmieten. Hätte man der Partei die Räume verwehrt, wäre "der Rechtsstaat in Gefahr geraten", sagte auch der zur Diskussion geladene CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein.

"Taschenspieler-Tricks" wie sie in anderen schwäbischen Städten angewandt worden seien, verböten sich von selbst: Es könne nicht sein, dass zum Beispiel Renovierungsarbeiten vorgetäuscht würden, wenn die NPD anklopfe und nach Sälen frage. Eine Strategie, die in benachbarten Städten übrigens durchaus aufging - auch die NPD schreibt auf ihrer Internet-Seite, dass es in Senden "deutlich einfacher als anderswo" sei, an Räume zu kommen.

So konnten hier unter anderem der Schweizer Auschwitz-Leugner Bernhard Schaub und der Sänger Michael Müller auf städtische Bühnen steigen, um ihre Botschaften unters Volk zu bringen. Müller ist in der rechten Szene mit einem spöttischen Lied über den Holocaust bekannt geworden und soll demnächst noch einmal in Senden auftreten.

Der Termin steht schon fest, der Saal ist zugesagt. Vor lauter Dankbarkeit, dass sie auf so gute infrastrukturelle Bedingungen treffen, standen NPD-Mitglieder schon eine Art Spalier an der Rathaustreppe und publizierten im Internet den Satz, dass Bürgermeister Baiker ihnen "die letzten Steine aus dem Weg geräumt" habe.

"Bündnis gegen rechts" gegründet

Die Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz von den Grünen ist mittlerweile "tief besorgt und verärgert" darüber, was in den vergangenen Monaten so passiert ist in ihrer Heimatstadt. "Ich habe Senden immer als eine weltoffene Stadt erfahren", sagte die 32-Jährige zu Beginn der Diskussion. Um den Ruf wieder herzustellen, müsse sich nun auch die Rathausspitze dem neu gegründeten "Bündnis gegen Rechts" anschließen - es könne nicht sein, dass man sich nur hinter Gesetzen verstecke, wenn es um die NPD-Veranstaltungen gehe.

Fast zum Ende der Podiumsdiskussion ergriff dann auch der NPD-Chef Stefan Winkler das Wort und gab in spöttischem Ton zu verstehen, dass er und seine "Kameraden" solche Bündnisse nicht fürchteten: "Ihr glaubt doch nicht, dass uns ein paar Lichtermärsche aufhalten."

© SZ vom 19.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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