Reaktionen:"Eine Currywurst mit Mayo ohne Pommes"

Lesezeit: 4 min

Es hagelt Kritik am milliardenschweren Konjunkturpaket: Die FDP spricht von Steuerentlastungen auf "Taschengeldniveau" und droht mit Blockade im Bundesrat. Die Grünen sehen "nur Schulden und wenig Nutzen".

Das zweite milliardenschwere Konjunkturpaket der Koaltion stößt auf unterschiedliche Reaktionen: Unions-Fraktionschef Volker Kauder führte aus, dass eine vierköpfige Familie pro Jahr rund 200 Euro mehr zur Verfügung haben werde.

Mit seiner Kritik am neuen Konjunkturpaket nicht allein: FDP-Chef Guido Westerwelle (Foto: Foto: dpa)

Das ergebe sich aus dem 100-Euro-Kinderbonus, Veränderungen bei Grundfreibetrag und Eingangssteuersatz sowie dem verringerten Kassenbeitragssatz, rechnete Kauder am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin vor. "Da ist eine Entlastung der Familien durchaus festzustellen."

Die EU-Kommission lobte das zweite Konjunkturpaket der Bundesregierung begrüßt. "Deutschland hat genug fiskalischen Spielraum für Maßnahmen, um zu einer weiteren Erholung der europäischen Wirtschaft beizutragen", sagte die Sprecherin von EU-Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia in Brüssel.

Der Stabilitätspakt lasse ausreichende Flexibilität für steigende Staatsschulden in der Krise zu, betonte sie. Entscheidend sei, dass die Maßnahmen wieder rückgängig gemacht werden könnten, sobald sich die Konjunktur wieder gefangen habe.

Liberale drohen mit Blockade im Bundesrat

Scharfe Kritik kam hingegen aus der FDP: "So wie es bisher angelegt ist, kann dieses Paket nicht ausreichend wirken", sagte Parteichef Guido Westerwelle dem Münchner Merkur. Der Bundesregierung fehle "der Mut, die Bürger spürbar zu entlasten". Er bezeichnete das zweite Konjunkturpaket als "Schuldenpaket".

Es diene vielleicht dem "Frieden der Koalition", jedoch mit Sicherheit "nicht einer Stabilisierung der Konjunktur", sagte er in Berlin. Die Steuersenkungen fänden auf "Taschengeldniveau" statt. "Es ist absurd, dass man für ein altes Auto 2500 Euro kriegt, aber für ein Kind nur 100 Euro." Dies sei ein "Wettbewerb der Hilflosigkeit". Pro Kopf der Bevölkerung seien 3,10 Euro an Steuersenkungen vereinbart worden. Westerwelle hob hervor: "Das ist eine Currywurst mit Majo ohne Pommes."

Die Liberalen verlangen dementsprechend Nachbesserungen und drohen mit einer Blockade im Bundesrat. "Liberale können dieser Verstaatlichungs- und Verschuldungspolitik nicht zustimmen", sagte FDP-Parteivize Rainer Brüderle dem Handelsblatt laut Vorabmeldung. Nach der Wahl in Hessen müsse im Bundesrat über die einzelnen Konjunkturmaßnahmen noch einmal deutlich gesprochen werden. Die FDP setzt darauf, dass sie nach der Hessen-Wahl am kommenden Sonntag mit in der Wiesbadener Regierung sitzt. Dann hätte die schwarz-rote Bundesregierung keine Mehrheit mehr im Bundesrat und müsste verstärkt Kompromisse mit der FDP suchen.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Hamburger Abendblatt auf, bei ihrer Regierungserklärung am Mittwoch gleich einen Schuldentilgungsplan für die mit dem Paket verbundenen Milliarden vorzulegen.

Haushaltsexperte warnt vor Rekord-Neuverschuldung

Der CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter sagte dem Handelsblatt, er rechne wegen der Kosten für die Konjunkturpakete und für die Rückkehr zur Pendlerpauschale mit einer Rekord-Neuverschuldung von etwa 60 Milliarden Euro. Damit drohe die Nettokreditaufnahme des Bundes 2009 den bisherigen Schuldenrekord von CSU-Finanzminister Theo Waigel von gut 40 Milliarden Euro deutlich zu übersteigen. Mittlerweile hat Unionsfraktionschef Volker Kauder erklärt, dass der Bund im kommenden Jahr 50 Milliarden Euro Schulden machen wird.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bezeichnete das zweite Konjunkturpaket als "ausgewogenes Angebot an Bürger und Wirtschaft". Die Koalition habe mit den Beschlüssen von Montagabend in einer kritischen Phase Handlungsfähigkeit bewiesen, sagte Koch im MDR. Der staatliche Schutzschirm sei ein Signal an große und mittlere Firmen, dass sich die Politik nicht nur um die Banken kümmere. Mit der geplanten Abgabensenkung werde außerdem den Bürgern gezeigt, dass nicht nur den Unternehmen geholfen werde.

Grüne sprechen von "Murks"

Die Grünen lehnen das zweite Konjunkturpaket der großen Koalition als "Murks" ab. "Es ist das Sammelsurium, das wir erwartet hatten", sagte Fraktionschef Fritz Kuhn in Frankfurt. "Die Wirkungen sind sehr fragwürdig und sie haben ein großes Problem, nämlich sie entlasten nicht die sozial Schwachen."

Die Abwrackprämie für alte Autos sei falsch, weil es keinen Zwang gebe, ein Kohlendioxid-sparendes Auto zu kaufen. Grundsätzlich seien die Investitionen in den Klimaschutz zu gering.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete die beschlossenen Maßnahmen im RBB am Dienstag als "ziellose Flickschusterei". "Verantwortbar ist das vor nachfolgenden Generationen nicht. Die haben nämlich nur Schulden und wenig Nutzen", sagte Künast. Statt "solchen komischen Dingen wie einer Abwrackprämie" forderte sie mehr Investitionen in Bildung und eine "gezielte Klima- und Energiepolitik", um so mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Dem Radiosender Bayern 2 sagte Künast, die investierte Summe reiche zwar aus, sei aber nicht zielgerichtet investiert.

Lafontaine: "Zu zögerlich und zu spät"

Für Linke-Chef Oskar Lafontaine ist das Konjunkturpaket unzureichend. "Das Konjunkturpaket ist zu zögerlich und es kommt zu spät", sagte Lafontaine in Frankfurt am Main. Die Bundesregierung habe aus der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands nichts gelernt. Lafontaine sprach sich für verstärkte Anstrengungen bei den öffentlichen Investitionen aus. Dagegen sparten Steuersenkungen die Hälfte der Bevölkerung aus, da diese keine Steuern zahle. Das Konjunkturpaket sei damit sozial unausgewogen.

Lothar Bisky zeigte sich ebenfalls enttäuscht. "Es reicht hinten und vorne nicht." Die unteren Einkommen würden zu wenig berücksichtigt. Bisky warf der Koalition vor, nur die Landtagswahl in Hessen und andere Wahlen im Blick zu haben.

Angesichts der drohenden hohen Neuverschuldung gab es auch Forderungen nach einer stärkeren Belastung der Rentner. Die Frage der Schulden sei "auch eine Frage des Generationenvertrages", sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Otto Fricke (FDP), der Bild-Zeitung. Auch Rentner und Pensionäre hätten "eine Verantwortung, damit die Belastungen, die die Finanzkrise hervorruft, für unsere Kinder nicht zu groß werden."

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, forderte eine schnellere Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67. Eine schnelle Wirkung des Konjunkturpakets erwartete er nicht: Vieles von dem, was jetzt auf den Weg gebracht werde, werde sich erst Ende des Jahres oder sogar erst 2010 auswirken - "nach meinem Urteil eher zu spät", sagte Walter im Fernsehsender N24.

Lob aus Bayern

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund nannte das Konjunkturpaket ein Hoffnungssignal für Städte und Gemeinden, aber auch für die Wirtschaft. Die vorgesehenen 17 bis 18 Milliarden Euro für Investitionen von Kommunen und Länder seien eine große Chance, endlich die maroden Schulen energetisch zu sanieren sowie Gebäude und Straßen in einen besseren Zustand zu bringen, erklärte Städtebund-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Die Länder seien nun gefordert, kommunale Investitionen zu unterstützen.

Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) würdigte den Koalitions-Kompromiss als "gutes Signal für alle Menschen in Deutschland". Mit dem Konjunkturpaket könne man die derzeitige "schwierige Lage" ein Stück weit abfedern, man gehe somit nun "gut gerüstet" ins Jahr 2009, sagte er am Rande der Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth.

Der Deutsche Kinderschutzbund begrüßte die vorgesehene Unterstützung für Kinder. "Ich bin froh, dass bei der Verteilung von so vielen Milliarden die armen Kinder nicht ganz vergessen worden sind", sagte Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers in Berlin. Er verlangte zugleich eine deutlichere Anhebung der Hartz-IV-Zuwendungen für Kinder. Für sie müsse ein eigener, bedarfsgerechter Regelsatz geschaffen werden, sagte Hilgers.

© dpa/Reuters/AFP/AP/gdo/mati/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: