Reaktionen:"Diese Entscheidung gehört in die Parlamente"

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Politiker aller Parteien haben die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Kopftuch-Streit gelobt. Kritik kommt vom Zentralrat der Muslime: Wenn die Bundesländer Kopftücher im Unterricht verbieten würden, käme das einem Berufsverbot für muslimische Lehrerinnen gleich.

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), hat die Entscheidung als ein "integrationspolitisches Signal" bezeichnet. "Die Diskussion gehört in den parlamentarischen und politischen Raum", sagte sie. Das Bundesverfassungsgericht habe mit dem Hinweis auf die Religionsfreiheit, den Erziehungsauftrag der Eltern sowie das Neutralitätsgebot zumindest die Eckpunkte vorgegeben. "Die Länder können ihre Gesetze nicht ganz im luftleeren Raum machen."

FDP-Chef Guido Westerwelle schlug in die selbe Kerbe. Er nannte es "weise", dass das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung "dahin gegeben hat, wohin sie gehört: in die Parlamente". Die Politik müsse jetzt entscheiden. Es sei Aufgabe des Staates, die religiöse Neutralität in den Schulen zu sichern und zu schützen. "Religion gehört in den Religionsunterricht."

Die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau warnte vor unterschiedlichen Regelungen in den Ländern.

CDU und SPD: Kopftücher im Unterricht verbieten

Für die CDU erklärte der rechtspolitische Sprecher der Bundestags-Fraktion, Norbert Röttgen, es sei zu begrüßen, dass das Tragen von Kopftüchern in Schulen verboten werden könne. Es müsse berücksichtigt werden, dass Lehrer eine Vorbildfunktion hätten. "Die persönliche Religionsausübung, die ich nicht in Frage stelle, darf nicht beeinflussend sein."

Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, sprach sich für ein Kopftuchverbot im Unterricht aus. Das Kopftuch sei "mit dem Neutralitätsgebot nicht vereinbar".

Die Landesbischöfe der evangelischen Kirche in Baden, Gerhard Maier und Ulrich Fischer, sagten, eine Lehrerin an einer öffentlichen Schule müsse aktiv für die Gleichberechtigung von Mann und Frau eintreten. "Durch das Tragen des Kopftuchs im Unterricht scheint und diese Voraussetzung nicht gewährleistet."

Zentralrat der Muslime befürchtet Berufsverbot

Kritik äußerte der Zentralrat der Muslime: Würde das Kopftuch im Schuldienst verboten, käme dies einem Berufsverbot für muslimische Lehrerinnen gleich, sagte der Vorsitzende Nadim Elias. Das Urteil bringe Unsicherheit für die Muslime. Nun sei eine Kompromisslösung anzustreben, die allerdings kein generelles Kopftuchverbot zur Folge haben dürfe.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, begrüßte dagegen die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung als "Stärkung des Rechts auf Ausübung der religiösen Freiheit". Nun müsse sorgfältig geprüft werden, wie man der Integration von Muslimen am besten Rechnung trage.

Der Deutsche Lehrerverband appellierte an die Landesparlamente, die Erlaubnis oder das Verbot zum Tragen religiöse Symbole möglichst rasch im Sinne der Neutralitätsverpflichtung zu regeln.

Beschwerdeführerin zeigt sich zufrieden

Die Beschwerdeführerin Fereshta Ludin hat die Entscheidung positiv aufgenommen. Es sei Klarheit geschaffen worden, sagte sie. In der bisherigen Auseinandersetzung habe sie sich "stigmatisiert und diskriminiert" gefühlt. Nun sei klargestellt worden, dass einer Frau nicht allein deswegen das Bekenntnis zu Demokratie und Emanzipation abgesprochen werden könne, weil sie ein Kopftuch trage.

Wenn das Land Baden-Württemberg nun allerdings ein gesetzliches Kopftuchverbot erlassen würde, werde sie ihren Beruf möglicherweise in einem anderen Bundesland ausüben, kündigte Ludin an. Landesregierung und Landtag dort überlegen noch. Ludin arbeitet derzeit an einer islamischen Schule in Berlin.

Der Bevollmächtigte der Landesregierung Baden-Württembergs, Ferdinand Kirchhof, erklärte, das Urteil habe beiden Seiten insofern Recht gegeben, "dass man unterschiedlicher Meinung sein kann". Neu sei, dass der Gesetzgeber entscheiden müsse. "Wir werden unsere Linie weiterverfolgen", sagte Kirchhof.

(sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP)

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