Reaktionen auf Urteil:Bunter Vogel in der olivgrünen Truppe

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Ein Soldat verweigerte wegen des Irak-Krieges den Dienst - die Bundeswehr wollte das nicht dulden.

Von Peter Blechschmidt

Er sieht seinen juristischen Erfolg als "Sieg der Moral". Bundeswehrmajor Florian Pfaff hat vom Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz bescheinigt bekommen, dass sein persönliches Gewissen über der Pflicht zum militärischen Gehorsam steht. Er sei gerne Soldat, sagt Pfaff, aber keiner, der einen Angriffskrieg führen oder auch nur unterstützen wolle.

Deshalb eröffnete er am 20. März 2003, als er morgens im Fernsehen die Bilder vom amerikanischen Bombenangriff auf Bagdad sah, seinem Vorgesetzten im Streitkräfteamt in Bonn, dass er seinen Job als Software-Spezialist nicht mehr ausüben könne. Es sei nicht auszuschließen, dass mit seiner Arbeit an einem Computer-Projekt eine Beteiligung der Bundeswehr am Irak-Krieg unterstützt werde, den er für völkerrechtswidrig halte.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig befand jetzt, der Soldat habe die Ernsthaftigkeit seiner Gewissensentscheidung glaubhaft dargetan. Auch Berufssoldaten stehe das Grundrecht auf eine Gewissensentscheidung zu. Davon könnten sich auch die Streitkräfte nicht unter Berufung auf militärische Zweckmäßigkeit freisprechen.

Verunsicherung im Ministerium

Das Verteidigungsministerium erklärt knapp, man werde sich selbstverständlich an die Entscheidung halten. Intern aber ist die Verunsicherung groß: Solch einen Fall hat es noch nicht gegeben. Zwar wurde auch in der Bundeswehr im Vorfeld des Irak-Krieges ausführlich über die Rechtmäßigkeit des amerikanischen Vorgehens diskutiert.

Auch die Beteiligung der Bundeswehr am Kosovo-Krieg 1999 war Stoff für heftige Debatten. Und schon in den 90er Jahren gab es eine Welle von Kriegsdienstverweigerungen und Austritten aus der Bundeswehr, als Auslandseinsätze erwogen wurden.

Doch dass ein Streit über Gewissen und Gehorsam bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung vorangetrieben wurde - das ist neu. Und die Entscheidung schürt Verunsicherung in der Truppe. "Man kann es doch nicht ins Ermessen eines Soldaten stellen, ob die Maßnahmen, mit denen er zu tun, theoretisch einer rechtswidrigen politischen Entscheidung dienen können," sagt Generalmajor a.D. Jürgen Reichardt, ehemals Chef des Heeresamtes. "Damit kann man jede Armee zum Stillstand bringen."

Grüne loben "Zivilcourage"

Ganz anders sieht das Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Er hat Pfaff bei seinem bisherigen Kampf unterstützt und wertet das Leipziger Urteil als "bekräftigenden Hinweis an die Politik, bei ihrer Auftragsformulierung für die Bundeswehr immer zweifelsfrei im Rahmen des Völkerrechts zu bleiben". Er findet es ermutigend, dass es Soldaten wie Pfaff gebe, die genügend Zivilcourage besäßen, den strapaziösen Gang durch die Mühlen der Gerichtsbarkeit zu gehen.

Der heute 48-jährige Pfaff hatte 1976 seinen Grundwehrdienst abgeleistet und dann die Offizierslaufbahn eingeschlagen. Bei der Bundeswehr studierte er Pädagogik. Im Frühjahr 2003 arbeitete er in Bonn am Software-Projekt SASPF, mit dem die unterschiedlichen Computer-Programme der Bundeswehr vernetzt werden. Als der Irak-Krieg losbrach, verlangte er von seinen Vorgesetzten, zu prüfen, ob eine mögliche, auch indirekte Beteiligung eine Straftat darstelle.

Stattdessen schickten ihn seine Vorgesetzten für eine Woche zur Untersuchung seines Geisteszustandes ins Bundeswehr-Krankenhaus nach Koblenz.

Zum Hauptmann degradiert

Der Major blieb weiter stur, seinen Computer rührte er nicht an. Darauf betrieben seine Vorgesetzten seine Entlassung. Doch das Truppendienstgericht Münster degradierte ihn im Februar 2004 lediglich zum Hauptmann. Dagegen gingen beide Seiten in die Berufung, die jetzt in Leipzig zugunsten Pfaffs entschieden wurde. Am Montag will Pfaff wieder zum Dienst im Sanitätsamt in München antreten.

Für ihn war sein Verhalten im Frühjahr 2003 nur konsequent. Schon Anfang der 90er Jahre widersetzte er sich einer Weisung an die Truppe, sich auf einen möglichen Einsatz in Somalia vorzubereiten. Auch in der Folgezeit gab es immer wieder Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten. Er sei "aufmüpfig", steht in seiner Personalakte. Grünen-Politiker Nachtwei glaubt dennoch nicht, "dass dieser Offizier so gestrickt ist, dass diese Gewissensentscheidung umkippen würde in Querulantentum."

Weitere Fälle nicht erwartet

Dass Pfaffs Beispiel Schule machen könnte, halten Politiker und Offiziere für unwahrscheinlich. Schließlich haben sich die allermeisten Berufssoldaten ja bewusst für die Bundeswehr entschieden.

Pfaff selbst würde gern vor Ablauf seiner Dienstzeit im Jahr 2013 ausscheiden: "Die Bundeswehr ist offensichtlich zum Teil nicht mehr an Recht und Gesetz gebunden," sagt er am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung. "Die Einstellung meiner hohen Vorgesetzten, besonders des Generalinspekteurs, in Verbindung mit dem, was mir persönlich angetan worden ist, wiegt schwerer als die guten Dinge, die ich im Sanitätsbereich tun kann."

© SZ vom 24.06.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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